Es ist still geworden um Europa seit der letzten paradoxen Intervention der Europäischen Zentralbank zur Rettung des Euro. Zwei Jahre schallte der Ruf nach mehr Zuständigkeiten für Brüssel, nach der Abgabe von Souveränitätsrechten der Nationalstaaten und einer Erhöhung des Marschtempos Richtung Bundesstaat in stetig wachsender Lautstärke durchs Land. Alle wollten dieses Mehrropa, es war notwendig, es war zukunftsträchtig und es war, im Gegensatz zur Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euro, korrekt, so zu reden.
Etwas aber muss passiert sein, irgendwo auf dem weiten Weg aus den Talkshowrunden und Kommentarspalten in die Wirklichkeit. Denn inzwischen ist die Forderung nach nach "mehr Europa" vom Aussterben bedroht: Der Mehrropa-Peak, den Beobachter um die Jahreswende 2012/2013 in der Medienlandschaft ausmachten (Grafik oben), hat sich aufgelöst, ausgedünnt, ist abgeflacht und zu einer Flatline zusammengerutscht, die an die solide Bodenplatte einer gigantischen Wirtschaftskrise erinnert.
Wo aber sind sie hin, die Sigmar Gabriels, Peer Steinbrücks und Walter Steinmeiers, die Norbert Lammerts, Wolfgang Thierses, Claudia Roths und Jürgen Trittins, die im Winter am liebsten nach Brüssel abgeben wollten, was immer an Aufgaben der deutsche Staat bisher recht problemlos erledigt hat?
Sie sind verschwunden, haben sich im Wahlkampf abgeduckt, sie verzichten zugunsten größerer Beinfreiheit darauf, die in der Bevölkerung unpopuläre Forderung nach einer europäischen Zentralregierung zu wiederholen. Da herrscht Konsens zwischen allen Demokraten - nicht drüber reden, die Pferde nicht scheu machen, entschieden werden kann ja später.
Denn das der Traum vom Aufgehen der europäischen Nationalstaaten in einer Art Superholding nicht aufgegeben ist, liegt auf der Hand. Gerade erst hat Thomas Straubhaar vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration die "Zeit für eine Europa-Steuer" ausgerufen und gefordert, die Entfremdung der Bürger von den europäischen Institutionen durch "eine Verlagerung politischer Kompetenzen von der Nation auf Europa" zu beenden.
Der feuchte Traum der Durchregierer, denn Europa hat stets die Angewohnheit gehabt, seine eigenen Interessen zuerst zu verfolgen. Mit der Stärkung der Atomkraft, aus der Deutschland gerade aussteigt, der Abschaffung der Netzneutralität, der europaweiten Abschaffung des Grundrechtes auf Datenschutz und dem Vorgehen gegen die Subventionierung der erneuerbaren Energien regiert Europa konzentriert gegen die angenommene Interessenlage der Mehrheit der Deutschen - und bringt die Anhänger der Mehrropa-Forderung schwer in die Zwickmühle.
Daher also die ohrenbetäubende Stille, daher der Eindruck, die Krise - mittlerweile länger als der II. Weltkrieg -sei der Normalzustand und werde es auch bleiben. Alles geht immer weiter, im Kreis geht es voran. "Es war ein furioser Auftakt bis tief in die Nacht", sagt der Bürgermeister von Gotha, "es ist meine erste Europeade, bin mir aber jetzt schon sicher, dass es nicht meine letzte sein wird."
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