Samstag, 4. Mai 2013

Neuer EU-Plan: Zeit, die nie vergeht


Nachdem das rezessionsgeplagte Griechenland im vergangenen Jahr seinen Schuldenstand weiter erhöhen konnte, sucht die EU nun nach einer „pragmatischen Endlösung“ für die Schuldenkrise. Nicht nur Griechenland hatte als Folge der Rettungsmaßnahmen, mit denen die Euro-Zone und der IWF das Land vor dem Kollaps bewahrt hatten, statt der geplanten 6,6 Prozent Defizit einen Fehlbetrag in Höhe von mehr als zehn Prozent ausgewiesen. Sondern auch Frankreich und Spanien haben 2012 mehr neue Schulden angehäuft als geplant. Das Defizit belaufe sich in Frankreich auf 4,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, teilte die europäische Statistikbehörde Eurostat mit. Angestrebt war ein Minus von 4,5 Prozent. Spanien kam auf ein Defizit von 10,6 Prozent, während die EU-Kommission mit 10,2 Prozent gerechnet hatte. Schlechter als erwartet schnitt auch Portugal ab, dessen Defizit um 2 Punkte auf 6,4 Prozent stieg. Die Kommission hatte mit 5,0 Prozent gerechnet. Belgien sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr die Defizitgrenze von 3 Prozent einhalten - der tatsächliche Wert betrug nun 3,9 Prozent.

Zudem haben sich auch die Wirtschaftsaussichten in der EU weiter verdüstert. In ihrem Frühjahrsgutachten senkte die EU-Kommission am Freitag ihre Wachstumsprognosen - Sorgenkind ist vor allem die Eurozone, deren Wirtschaft im laufenden Jahr vermutlich um 0,4 Prozent schrumpfen wird - das sind noch einmal 0,1 Punkte mehr als noch im Februar vorhergesagt. Besser wirds nicht: Auch für 2014 sagt due Kommission für die 17 Euroländer nur noch ein Wachstum von 1,2 Prozent voraus, 0,2 Punkte weniger als bisher.

Handeln ist gefragt, schnell, entschlossen und pragmatisch. Die EU-Kommission erwägt nun, beiden Ländern mehr Zeit einzuräumen, um ihre Neuverschuldung wieder in die Nähe der Obergrenze von drei Prozent zu bringen. Auch Frankreich, dessen Sparprogramme durch hohe Staatsausgaben behindert werden, soll mehr Zeit bekommen.

Da die Streckung von laufenden Darlehen den Schuldenstand aber weiter in die Höhe treiben würde, neue Sparprogramme hingegen die Konjunktur weiter abwürgen und der führende Würselener Europapolitiker Martin Schulz bereits vor Monaten festgelegt hatte "mehr Hilfe wird es nicht geben", will die Kommission jetzt erstmals kalendarische Maßnahmen ergreifen. Geplant wird eine Zeit, die nie vergeht: Dazu werden die Tage in den Krisenländern rückwirkend ab Januar 2013 auf vorerst 48 Stunden verlängert, so dass das Jahr 2013 in Griechenland, Frankreich, Portugal, Spanien und Belgien zwar wie üblich am 31.12.2013 ende. Dieser 31.12. 2013 entspreche jedoch in den nicht von der Umstellung auf europäische Krisenzeit betroffenen Staaten wie Deutschland, den Niederlanden und Österreich dem 31.12. 2014. Ohne zusätzlichen Finanzeinsatz verdoppele sich dadurch der Zeitraum, der den Regierungen zur Verfügung stehe, um das Defizit unter die vorgeschriebene Grenze zu drücken.

Solle die Zeit trotzdem noch nicht reichen, stehe der EU eine Verlängerung der Tageslänge auf 78 oder 96 Stunden zur Verfügung. Ein eigens präzisierte Arbeitszeitregelung soll dabei sicherstellen, dass Arbeitnehmer keine Nachteile durch die Anwendung des sogenannten Krisen-Kalenders erleiden.

Bis sich erste Effekte der neuen Maßnahmen zeigen, solle über Probleme bei der Euro-Rettung erstmal weniger berichtet werden, hieß es in Brüssel. Jetzt schon komme die Euro-Zone insgesamt beim Defizitabbau allmählich voran: Trotz der negativen Entwicklung in einzelnen Ländern wie Griechenland, Frankreich, Portugal, Spanien, Belgien, Italien, Zypern, Malta und Slowenien seien die meisten der restlichen acht von 17 Euro-Staaten auf einem total guten Weg. Insgesamt habe sich die Staatsverschuldung 2012 zwar auf 90,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weiter erhöht. Doch das Tempo der Neuverschuldung sei dadurch, dass Deutschland als größter Staat einen Überschuss produzierte, auf nur noch bei 3,7 Prozent zurückgegangen.

Die EU steht damit unmittelbar vor der 3-Prozent-Neuverschuldungsschwelle, nach der sie sich Hoffnung machen könnte, in die EU aufgenommen zu werden.

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3 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Aber, aber! Natürlich könnte die EU mit einer noch höheren Neuverschuldungsquote in sich selbst aufgenommen werden, genau wie Griechenland!
Aber die Idee mit der Zeitdehnung ist natürlich schenial - da weiß man, warum man den Bürokraten so hohe Gehälter zahlt! Sollten sich dennoch bei der Kalenderkoordination mit dem nicht-sozialistischen, äh, -europäischen Ausland größere Probleme einstellen, könnte man es auch mit einer Art Fuzzy-Arithmetik versuchen, die auf dem simplen Satz
3 = 2 für besonders große Werte von 2
beruht. Damit könnten Eurostat, dei EZB und wer weiß noch alles ganz erstaunliche Bilanzergebnisse realisieren. Man müßte dies nur Herrn Hollande einmal stecken!

ppq hat gesagt…

in den physik ist das ja gebräuchlich, weil gott in seiner weisheit die zeitdilatation erfunden hat. komisch, dass die gründer der eu sich daran nicht gleich orientiert haben

Thomas hat gesagt…

Ja, genau! Lorentztransformation für Schulden! Die nähern sich dann nur dem großen Idealen Grenzschuldenwert ohne ihn je überschreiten zu können.
Chapeau!