Ich hatte mir ja soviel vorgenommen. Nach etlichen Praktika inklusive Kaffeekochen, Sex-Umfragen auf der Straße und Berichten über Kaninchenzüchtervereine wollte ich in den großen Journalismus. Nein, vom Pulitzerpreis träumte ich nicht. Aber von großen Reportagen, von Enthüllungen, von Anerkennung. Deshalb bewarb ich mich zum Volontariat. Und wurde nach zwei Versuchen und weiteren zwei Jahren als freie Mitarbeiterin angenommen. Endlich auf dem Weg zum richtigen Ziel. Mit Mitte 20. Immerhin. Qualitätsjournalismus, ich komme. Dachte ich.
Nun das. Das Ende der Frankfurter Rundschau, der FTD. Und all den anderen "besten Zeitungen der Welt" (Die Zeit) geht es auch schon ganz schlecht. Habe ich überhaupt eine Zukunft? Lohnt sich meine Ausbildung noch? Fragen über Fragen. Was ich in den ersten Monaten erlebt habe, spricht eher dagegen. Beispiel Berlin: Auf den Redaktionsfluren in den Hauptstadtzeitungen munkelt man längst, Qualität wird hier nur noch geschrieben, um die Konkurrenz auszustechen. „Da will ein Chefredakteur schneller als der andere sein. Das zählt bei denen mehr, als die Zufriedenheit der Leser“, flüsterte mir eine Kollegin zu. Zeitung für den Leser? Fehlanzeige. In der Hauptstadt von Bild und taz und Mopo und Welt und Berliner Zeitung Ost und BZ West geht es wohl um private Befindlichkeiten. Und natürlich um Geld.
Denn soviel habe ich schon gelernt: Es geht ums Anzeigengeschäft. Um in die Zeitung eingelegte Möbelhaus- und Elektronikmarkt-Prospekte. „Die bringen Geld in die Kassen der Zeitungen“, lernte ich in den Schulungen. Auch profitiere das eine oder andere Blatt von den sogenannten diskreten Anzeigen von Escort-Agenturen und teuren Puffs und billigen Pornokinos. „Das sind die treuesten Kunden“, verriet mir eine Kollegin aus der Anzeigenabteilung. Allerdings fiel deshalb meine erste Reportage ins Wasser: Ein Bericht über osteuropäische Zwangsprostituierte auf dem Straßenstrich. Der Zuhälter, gleichzeitig Betreiber eines Videoschmuddelladens, ein treuer Anzeigenkunde.
Aber den Kollegen geht es nicht anders. Reportagen über Billiglöhne im Möbelmarkt? Über unbezahlte Überstunden im Kaufhaus? Über die lausigen Gehälter, die Praktikanten im Bundestag erhalten? Lieber nicht. „Wenn so einer abspringt, dann sind das gleich mal fünfstellige Summen, die dem Verlag flöten gehen“, flüsterten mir ältere Kollegen zu. Sowieso sei das Geld schon knapp. Auf meiner Station in Hamburg sollte ich für einen Report über Ökobauern aufs Land fahren. Ich plante mit drei Tagen. Inklusive Mietwagen und Pension. Die Sekretärin rollte mit den Augen. Pension? Mietwagen? Als Volontärin? Nix da. „Sie fahren mit dem freien Fotografen im Auto mit. Und ein Tag muss reichen.“ Spesen bis zum Abwinken, Hotelübernachtungen, Flüge. Das alles hätte es einmal gegeben, sagen Kollegen. Damals, als man noch Zeit und Geld hatte. Zeit und Geld für guten Journalismus. Für Qualität. Doch das sei vorbei.
In Köln lernte ich dann, wie Journalismus ohne viel Geld funktioniert. Und hörte immer öfter das Wort, das keiner gern ausspricht, das niemand hören will. Und doch in den Redaktionen längst Einzug gehalten hat: Billig-Journalismus. Auch bekannt unter Copy und Paste. Dabei werden von den Zeitungen die gelieferten Nachrichten von Presseagenturen wie Reuters oder DPA komplett übernommen. Einfach so. Ohne Nachbearbeitung, ohne Nachrecherche. Man schreibt einfach nur "alle Rechte vorbehalten" drunter.
Das hatte ich anders gelernt. Und noch etwas brachte man mir bei: Auch mit abgeschlossenem Volontariat sei eine Festanstellung seltener als frei laufende sibirische Tiger in der Eifel. Und selbst wenn mal einer das Glück hat, aus einer freien Mitarbeiterschaft in eine Festanstellung zu wechseln, bekomme er auch noch mit 15 Jahren Berufserfahrung oder mehr lediglich einen Jungredakteursvertrag.
Der würde mir ja reichen. Aber für einen 45-Jährigen, der seit 25 Jahren im Geschäft ist? Doch eher lächerlich. Aber Realität. Ich hab es selbst gesehen.
Ich habe mich trotzdem beworben. Bei allen Zeitungen meiner bisherigen Stationen: Berlin, Hamburg, Köln, München. Eine Zusage ist gekommen. Für ein Praktikum. Ob ich schon Erfahrungen im Journalismus hätte. Steht in dem Anschreiben. Nun überlege ich, was wohl an der Formulierung „abgeschlossenes Volontariat“ nicht zu verstehen ist. Andererseits kann ich es mir denken. Das passiert eben beim Billig-Journalismus. Da werden die Bewerbungen auch nur noch von den Sekretärinnen gelesen. Die zwar Kaffee kochen können. Aber nicht wirklich wissen, was ein Volontariat ist. Wäre aber auch zuviel verlangt. Waren doch viele der „Büro-Mitarbeiterinnen“ in den Redaktionsstuben während meiner Ausbildung 400-Euro-Kräfte. Ohne Ausbildung. Ohne Zukunft. Auswechselbar wie bald jeder Journalist. Copy & paste. Ich übersetzte mal: Copy & waste.
Zur kulturkritischen Reihe Doku Deutschland:
Der vierte Mann der NSU
Mein Leben als Escort
Ich, der Umweltbotschafter
Grass endlich geehrt
Beim letzten deutschen Autofahrer
Bekenntnisse eines Blitzkriegers
Wahrheit ist flexibel
Ein Land aus Pfand
Sorgen auf der Sonnenbank
Rock an der Rütlischule
Schwimmen mit Sirenen
Hausbuchführer im Widerstand
Ich dagegen bin dafür
Der Marcellator der Herzen
Die Stimme des Bauchtrainers
Am Tresen verhaftet
Nun das. Das Ende der Frankfurter Rundschau, der FTD. Und all den anderen "besten Zeitungen der Welt" (Die Zeit) geht es auch schon ganz schlecht. Habe ich überhaupt eine Zukunft? Lohnt sich meine Ausbildung noch? Fragen über Fragen. Was ich in den ersten Monaten erlebt habe, spricht eher dagegen. Beispiel Berlin: Auf den Redaktionsfluren in den Hauptstadtzeitungen munkelt man längst, Qualität wird hier nur noch geschrieben, um die Konkurrenz auszustechen. „Da will ein Chefredakteur schneller als der andere sein. Das zählt bei denen mehr, als die Zufriedenheit der Leser“, flüsterte mir eine Kollegin zu. Zeitung für den Leser? Fehlanzeige. In der Hauptstadt von Bild und taz und Mopo und Welt und Berliner Zeitung Ost und BZ West geht es wohl um private Befindlichkeiten. Und natürlich um Geld.
Denn soviel habe ich schon gelernt: Es geht ums Anzeigengeschäft. Um in die Zeitung eingelegte Möbelhaus- und Elektronikmarkt-Prospekte. „Die bringen Geld in die Kassen der Zeitungen“, lernte ich in den Schulungen. Auch profitiere das eine oder andere Blatt von den sogenannten diskreten Anzeigen von Escort-Agenturen und teuren Puffs und billigen Pornokinos. „Das sind die treuesten Kunden“, verriet mir eine Kollegin aus der Anzeigenabteilung. Allerdings fiel deshalb meine erste Reportage ins Wasser: Ein Bericht über osteuropäische Zwangsprostituierte auf dem Straßenstrich. Der Zuhälter, gleichzeitig Betreiber eines Videoschmuddelladens, ein treuer Anzeigenkunde.
Aber den Kollegen geht es nicht anders. Reportagen über Billiglöhne im Möbelmarkt? Über unbezahlte Überstunden im Kaufhaus? Über die lausigen Gehälter, die Praktikanten im Bundestag erhalten? Lieber nicht. „Wenn so einer abspringt, dann sind das gleich mal fünfstellige Summen, die dem Verlag flöten gehen“, flüsterten mir ältere Kollegen zu. Sowieso sei das Geld schon knapp. Auf meiner Station in Hamburg sollte ich für einen Report über Ökobauern aufs Land fahren. Ich plante mit drei Tagen. Inklusive Mietwagen und Pension. Die Sekretärin rollte mit den Augen. Pension? Mietwagen? Als Volontärin? Nix da. „Sie fahren mit dem freien Fotografen im Auto mit. Und ein Tag muss reichen.“ Spesen bis zum Abwinken, Hotelübernachtungen, Flüge. Das alles hätte es einmal gegeben, sagen Kollegen. Damals, als man noch Zeit und Geld hatte. Zeit und Geld für guten Journalismus. Für Qualität. Doch das sei vorbei.
In Köln lernte ich dann, wie Journalismus ohne viel Geld funktioniert. Und hörte immer öfter das Wort, das keiner gern ausspricht, das niemand hören will. Und doch in den Redaktionen längst Einzug gehalten hat: Billig-Journalismus. Auch bekannt unter Copy und Paste. Dabei werden von den Zeitungen die gelieferten Nachrichten von Presseagenturen wie Reuters oder DPA komplett übernommen. Einfach so. Ohne Nachbearbeitung, ohne Nachrecherche. Man schreibt einfach nur "alle Rechte vorbehalten" drunter.
Das hatte ich anders gelernt. Und noch etwas brachte man mir bei: Auch mit abgeschlossenem Volontariat sei eine Festanstellung seltener als frei laufende sibirische Tiger in der Eifel. Und selbst wenn mal einer das Glück hat, aus einer freien Mitarbeiterschaft in eine Festanstellung zu wechseln, bekomme er auch noch mit 15 Jahren Berufserfahrung oder mehr lediglich einen Jungredakteursvertrag.
Der würde mir ja reichen. Aber für einen 45-Jährigen, der seit 25 Jahren im Geschäft ist? Doch eher lächerlich. Aber Realität. Ich hab es selbst gesehen.
Ich habe mich trotzdem beworben. Bei allen Zeitungen meiner bisherigen Stationen: Berlin, Hamburg, Köln, München. Eine Zusage ist gekommen. Für ein Praktikum. Ob ich schon Erfahrungen im Journalismus hätte. Steht in dem Anschreiben. Nun überlege ich, was wohl an der Formulierung „abgeschlossenes Volontariat“ nicht zu verstehen ist. Andererseits kann ich es mir denken. Das passiert eben beim Billig-Journalismus. Da werden die Bewerbungen auch nur noch von den Sekretärinnen gelesen. Die zwar Kaffee kochen können. Aber nicht wirklich wissen, was ein Volontariat ist. Wäre aber auch zuviel verlangt. Waren doch viele der „Büro-Mitarbeiterinnen“ in den Redaktionsstuben während meiner Ausbildung 400-Euro-Kräfte. Ohne Ausbildung. Ohne Zukunft. Auswechselbar wie bald jeder Journalist. Copy & paste. Ich übersetzte mal: Copy & waste.
Zur kulturkritischen Reihe Doku Deutschland:
Der vierte Mann der NSU
Mein Leben als Escort
Ich, der Umweltbotschafter
Grass endlich geehrt
Beim letzten deutschen Autofahrer
Bekenntnisse eines Blitzkriegers
Wahrheit ist flexibel
Ein Land aus Pfand
Sorgen auf der Sonnenbank
Rock an der Rütlischule
Schwimmen mit Sirenen
Hausbuchführer im Widerstand
Ich dagegen bin dafür
Der Marcellator der Herzen
Die Stimme des Bauchtrainers
Am Tresen verhaftet
5 Kommentare:
Wir nehmen nur kostenlose Zeitungen. Da spart man sich Malerunterlagen und Kohlenanzünder. Eine prima Sache, daß wenigstens diese zwei Utensilien kostenfrei an alle Haushalte verteilt werden. Das Leben ist sonst schon teuer genug.
Vielleicht waren es ja diese Qualitäten, auf die der für sein soziales Engagement bekannte Di Lorenzo in seinem Einwurf anspielte? Wobei andererseits bei dem Gedanken an "brennende" Worte hierzulande weniger an päpstliche Enzykliken als an einen unfeinen Ausdruck demokratischen Wollens gedacht werden dürfte. Also wenn, dann bitte heimlich!
Journalisten sind nichts weiter als eine, meist grammatikalisch richtig blöckende, Schafherde, die immer mal wieder geschoren, letzlich zur Schlachtbank geführt wird.
Qualitäts-Opportunismus ist immer opportun.
Heutige Journalisten sind schlicht gesagt, totz ihrem Studium nur noch Prostituierte der Zeitungsmonopole. Man braucht sie noch als Deckmäntelchen, aber nicht wirklich, weil ja die Wahrheit nichts mehr gilt. Deshlab braucht es ja auch nur noch Volontäre, das nennt sich dann Qualitätsjournalismus. Aber es ist einfach, der Mensch also Leser, hat es langsam oder merkt es langsam was ihm da vorgesetzt wird. Er läuft davon. Zeitung und TV habe ich schon lange nicht mehr aboniert, allenfalls lese ich das bei einm Kaffe im Gasthaus.
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