Sie können sich vorstellen, dass ich in der DDR nicht einfach so in eine Kneipe gehen und ein Bier trinken konnte, nach Feierabend. Die Gespräche verstummten, wenn ich den Schankraum betrat. Viele begannen, eine Eingabe auf dem Bierdeckel zu verfassen, die sie mir überreichen wollten. Wenn es denn einen Bierdeckel gab. Manchmal hieß es, es gäbe gerade ausgerechnet das nicht, was ich bestellen wollte: Versorgungsengpass, Sie verstehen, Genosse? Ich denke, das war oft eine Form der Rache der einfachen Menschen. Ich ging also nicht mehr in Kneipen, spätestens seit ich mal in einer was auf die Fresse bekommen hatte. Das war so ein Typ, der dachte, er würde dann verhaftet und vom Westen freigekauft werden. Natürlich verhaftete ihn niemand, und am nächsten Tag konnte sich keiner der Kneipengäste mehr an etwas erinnern. Er nervte sie aber so lange mit seiner Geschichte, bis er schließlich Hausverbot bekam.
Ich ging aber gern zu Faschingspartys, weil ich mich da verkleiden konnte. Einmal wurde ich auf dem Heimweg – ich hatte mein empfindliches Prinzessinnen-Kostüm schon abgelegt – direkt nach dem Verlassen des Lokals verhaftet, weil die Bullen dachten, ich hätte mich zum Fasching als Erich verkleidet. Den echten Honecker habe ich nie so richtig kennengelernt, was mir jetzt im Nachhinein, wo er doch inzwischen tot ist, natürlich leidtut. Ich wohnte auch nicht in Wandlitz, dort war ich nur ganz selten. Eigentlich führte ich ein ganz normales Leben. Ich habe nie versucht auszunutzen, dass ich aussah wie er; das heißt, eigentlich sah er ja aus wie ich. Ich hatte keinerlei Privilegien, ganz im Gegenteil, oft hatte ich es aufgrund meines Aussehens sogar schwerer als andere. Ich habe zum Beispiel nie eine Frau kennengelernt.
Es war schon komisch, wie ich angeguckt wurde, wenn ich manchmal mit meinen Forumschecks in den Intershop ging. Aber noch komischer wurde ich angeguckt, wenn ich auf der Bank diese Forumschecks eintauschen wollte, gegen D-Mark, und am allerkomischsten wurde ich angeguckt, wenn ich mir dieses Westgeld irgendwo auf dem Schwarzmarkt besorgte. Den Job als Honecker-Double habe ich dann Anfang der siebziger Jahre bekommen. Einer vom MfS sprach mich auf der Arbeit an, wegen der großen Ähnlichkeit. Vorher war ich Dispatcher im Tagebau gewesen. Ich nahm das Angebot der Stasi an, denn so konnte ich nach Berlin ziehen. Damals wollten ja alle nach Berlin.
Honecker und ich sahen uns ähnlich, aber natürlich gab es auch Unterschiede. Also musste operiert werden. Natürlich wurde er operiert. Er konnte ins Regierungskrankenhaus nach Buch gehen, da wäre ich nie reingekommen. Dort gab es Spezialisten, die mich als normalen DDR-Bürger nie behandelt hätten. Also wurde Honeckers Aussehen dem meinen angepasst. Böse Zungen behaupten, umgekehrt wäre es schöner gewesen, angeblich ist sogar Margot Honecker die Mutter dieses Gerüchtes, aber ich lasse mich von solchem Gerede nicht ärgern. Als Erich Honecker am 18. Oktober 1989 zurücktreten musste und durch Egon Krenz ersetzt wurde, konnte auch ich für mein Leben in der DDR keine Perspektive mehr erkennen. Zurück in den Tagebau zu gehen, als Dispatcher, das konnte ich mir nicht vorstellen.
Zur kulturkritischen Reihe Doku Deutschland
Ich ging aber gern zu Faschingspartys, weil ich mich da verkleiden konnte. Einmal wurde ich auf dem Heimweg – ich hatte mein empfindliches Prinzessinnen-Kostüm schon abgelegt – direkt nach dem Verlassen des Lokals verhaftet, weil die Bullen dachten, ich hätte mich zum Fasching als Erich verkleidet. Den echten Honecker habe ich nie so richtig kennengelernt, was mir jetzt im Nachhinein, wo er doch inzwischen tot ist, natürlich leidtut. Ich wohnte auch nicht in Wandlitz, dort war ich nur ganz selten. Eigentlich führte ich ein ganz normales Leben. Ich habe nie versucht auszunutzen, dass ich aussah wie er; das heißt, eigentlich sah er ja aus wie ich. Ich hatte keinerlei Privilegien, ganz im Gegenteil, oft hatte ich es aufgrund meines Aussehens sogar schwerer als andere. Ich habe zum Beispiel nie eine Frau kennengelernt.
Es war schon komisch, wie ich angeguckt wurde, wenn ich manchmal mit meinen Forumschecks in den Intershop ging. Aber noch komischer wurde ich angeguckt, wenn ich auf der Bank diese Forumschecks eintauschen wollte, gegen D-Mark, und am allerkomischsten wurde ich angeguckt, wenn ich mir dieses Westgeld irgendwo auf dem Schwarzmarkt besorgte. Den Job als Honecker-Double habe ich dann Anfang der siebziger Jahre bekommen. Einer vom MfS sprach mich auf der Arbeit an, wegen der großen Ähnlichkeit. Vorher war ich Dispatcher im Tagebau gewesen. Ich nahm das Angebot der Stasi an, denn so konnte ich nach Berlin ziehen. Damals wollten ja alle nach Berlin.
Honecker und ich sahen uns ähnlich, aber natürlich gab es auch Unterschiede. Also musste operiert werden. Natürlich wurde er operiert. Er konnte ins Regierungskrankenhaus nach Buch gehen, da wäre ich nie reingekommen. Dort gab es Spezialisten, die mich als normalen DDR-Bürger nie behandelt hätten. Also wurde Honeckers Aussehen dem meinen angepasst. Böse Zungen behaupten, umgekehrt wäre es schöner gewesen, angeblich ist sogar Margot Honecker die Mutter dieses Gerüchtes, aber ich lasse mich von solchem Gerede nicht ärgern. Als Erich Honecker am 18. Oktober 1989 zurücktreten musste und durch Egon Krenz ersetzt wurde, konnte auch ich für mein Leben in der DDR keine Perspektive mehr erkennen. Zurück in den Tagebau zu gehen, als Dispatcher, das konnte ich mir nicht vorstellen.
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1 Kommentar:
Mir wurscht, ich mag den echten Erich nicht, seit ich im November 83 auf dem Bahnhof Betterfield eine Stunde herumbibberte, ohne Sitzplatz, Gastronomie oder Ansage oder -zeige, wann es weitergeht, alle 15 Meter ein strammer Traps (Eulenspiegel-Kreuzworträtsel) mit gezückter Lakritzstange, bis Erich der Weise, auf dem Weg zur Aasjagd ins Thüringische durchbretterte.
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