Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hofft auf eine baldige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge zu Fiskalpakt und ESM. Nächste Woche wäre gut, meint der CDU-Politiker, zumindest in der Übersetzung durch die Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech, die hier bei PPQ seit Monaten simultan zum öffentlich Gesagten klarstellt, was führende Euro-Retter wirklich meinen, wenn sie von Zuversicht, Euro-Rettung und Verfassungskonformität reden. Bei Freddy Nein von Radio PPQ ließ Schäuble tief blicken:
Freddy Nein: Die Richter in Karlsruhe wollen sich also vielleicht Monate anstelle von zwei oder drei Wochen Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu den Eilanträgen in Sachen Fiskalpakt und ESM zu fällen. Am Telefon begrüße ich jetzt den Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble (CDU). Guten Morgen!
Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Herr Nein.
Nein: Herr Schäuble, Sie haben gesagt, Sie hoffen auf eine baldige Entscheidung aus Karlsruhe. Ist Herbst früh genug?
Schäuble: Ich hoffe, dass sie früher entscheiden, denn das müssen sie. Deshalb habe ich gestern gesagt: Wir üben keinen Druck aus. Das ist ja die Art, wie wir, die Regierung, Druck ausüben. Wir haben unsere Argumente dargelegt, die sind klipp und klar, da kann das Gericht eigentlich nicht drüber weggehen. Übrigens auch nicht Herr Weidmann von der Bundesbank, über den ich mich sehr geärgert habe, wenn ich mal ehrlich bin. Herr Weidmann sagt, mitten in dieser Situation, auch eine Ratifizierung des ESM ist keine Garantie. was auch immer er damit meint - er muss doch mal fragen, wer hat ihn denn dorthin gesetzt? Glücklicherwiese hat er keinen Zweifel daran gelassen, dass eine Verschiebung der Ratifizierung des ESM, der Ratifizierung des Fiskalvertrages erhebliche Gefahren für die Finanzmärkte und die Stabilität der Euro-Zone beinhaltet. Blaues Auge, sage ich da nur. Knapp gerettet! Nicht nur deswegen, weil das so knapp war, haben wir das Gericht gebeten, kein Druck, nur eben mit aller Macht gebeten, so rasch wie irgend möglich zu entscheiden, denn wir müssen sehen: Wir sind nach zweieinhalb Jahren Rettungswesen in einer außergewöhnlich kritischen Lage. Die Ansteckungsgefahr für die Eurozone ist höher als je zuvor, ganz ehrlich, das ganze Retten hat nichts gebracht, nur gekostet hat es. Wir haben ja auch die Gefahr, dass nicht nur die Zinsen für Spanien steigen, sondern dass die Abflüsse von Kapital, die Bankeinlagen in den kritischen Ländern zunehmen, Stichwort Bankrun. da können Sie dann gar nichts mehr machen, nur Kapitalverkehrskontrollen, Grenzen zu, Klappe zu, Affe tot. Das ist eine Gefahr, die man nicht beherrschen kann und vor der haben wir Angst. War ich zu lang?
Nein: Nein, Herr Schäuble! Herr Weidmann hat meines Wissens aber auch gesagt, die Folgen des Stopps dieser Gesetze seien spekulativ.
Schäuble: Ja klar! Kann er nicht wissen, ich weiß es nicht, sie wissen es nicht und die Kanzlerin, naja, lassen sie es mich so sagen: Die weiß es auch nicht.
Nein: Und die Folgen des verspäteten in Inkrafttretens seien bereits von den Finanzmärkten eingepreist. Also so schlimm würde es nicht kommen nach seiner Meinung.
Schäuble: Ich glaube, ich bin dabei gewesen, soweit ich mich erinnere. Ich bin etwa zwölf Stunden in Karlsruhe gewesen und kann deshalb die Sprache von Ökonomen richtig interpretieren. Sie ihrerseits müssen mal versuchen, den Herrn Weidmann, der immer sehr besonnen und sehr sorgfältig formuliert, wenn er auch oft Quatsch erzählt, der nicht hilfreich ist, richtig verstehen. Also so wie ich. Wenn er sagt, das ist spekulativ, ist das natürlich völlig klar. Wir wissen nichts. Aber das wissen wir genau! Wie die Märkte reagieren werden, das wissen nicht einmal die Märkte selbst! Das ist ja die Eigenart von Märkten, dass Sie das nie wissen, bis es passiert ist. Deswegen sind ja auch die Vorhersagen von Ökonomen meistens falsch und ein so erfahrener Ökonom wie Jens Weidmann ist eben vorsichtig und sagt, das ist spekulativ, denn damit liege ich richtig. Das heißt, man weiß es nicht, man kann nur Spekulationen, also Überlegungen anstellen, wie es kommen kann. Aber daraus zu sagen, er hätte gesagt, das spielt keine Rolle und lasst euch ruhig Zeit, ist eine völlig falsche Interpretation seiner Äußerung. Sie können sicher sein, dass das nicht noch mal so durchgeht. Das sind krude Thesen, einfach krude Thesen.
Nein: Gleichwohl, Herr Schäuble, die Beobachtung ist natürlich schon in den vergangenen Monaten, sogar Jahren: Die Märkte reagieren auch bereits jetzt immer wieder höchst verunsichert. Nach jeder neuen Rettungsaktion gibt es vielleicht einmal ein Kursfeuerwerk, oder zumindest eine Beruhigung bei den Abwärtstrends, und nach ein paar Stunden oder Tagen sagen wir dann wieder, es hat nicht ausgereicht, die Finanzmärkte reagieren weiterhin enttäuscht.
Schäuble: Exakt, Herr Nein. Genau das ist ja das Problem und die Gefahr, wenn die Märkte jedes Mal sagen, wir sind noch nicht sicher, wer immer die Märkte sind. Ich rede seit Monaten, dass man die Märkte mal abschaffen müsste. Aber das ist ja auch kompliziert. Aber das Misstrauen ist: Ist dieses Europa in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zur Überwindung der Vertrauenskrise mit der notwendigen Verlässlichkeit und in angemessener Zeit zu treffen? Alle denken, nein, ist es nicht. Das denke ich ja auch, wenn ich ins nächste Jahr schaue. Dann haben wir Rot-Grün oder Schwarz-Rot und was ist dann? Ende Allende, wie sie im Osten sagen. Und genau daraus entsteht die Sorge, dass eine weitere Verzögerung dazu führt, dass die Märkte Recht bekommen. Genau das ist die Sorge, die alle miteinander haben - es ist ja nicht nur die Bundesregierung, die vielleicht aus dem Amt muss, um Platz für Herrn Gabriel zu machen. Es ist ganz Europa! Und die ganze Welt! Das Planetensystem! Das All! Der Euro ist das Schicksal des Kosmos, wenn Sie so wollen, zumindest des Teils, den wir schon beflogen haben. Wenn wir die Störung in der Eurozone noch weiter haben, drei Jahre, fünf oder 20, vielleicht 100 oder 1000, egal, ist das natürlich eine Gefahr für die Weltwirtschaft insgesamt. Eine Abschwächung oder gar ein Einbruch der Wirtschaft, des Wirtschaftswachstums in Europa würde die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Scheitert der Euro, scheitert Europa, scheitert Europa, ist es zu Ende mit der Menschheit, da rede ich jetzt mit Absicht Klartext. Wir sind ja mit Abstand die größte Wirtschaftsregion der Welt, wenn nicht weit darüber hinaus. Wir haben eine Verantwortung nicht nur für uns, für Europa, sondern sogar für die globale Weltwirtschaft. Und die Tierwelt. Und wegen unserer Verpflichtungen aus der Geschichte auch für fremde Völker.
Nein: Herr Schäuble, ist die Wahrnehmung richtig, dass wir uns im Augenblick in einem seltsamen Spannungsfeld bewegen? Sie selbst haben auch gesagt, Sie hoffen und wünschen eigentlich eine rasche Entscheidung, gleichzeitig wollen Sie auch keinen Druck auf die Richter ausüben. Die sollen sich aber dennoch, trotz der Gefahren, die Sie gerade beschrieben haben, alle Zeit der Welt nehmen, auch wenn es nun erst im Herbst zu einer Entscheidung kommt?
Schäuble: Sie müssen ihre Verantwortung genauso wahrnehmen, wie jeder Bundestagsabgeordnete seine Verantwortung wahrgenommen hat. Oder wie ich das tue. Sie müssen urteilen, wie es vernünftig wäre. Das ist ja in der Verhandlung sehr eindrucksvoll gewesen. Ich glaube, dass das auch die Richter beeindruckt hat, sich einmal von den Abgeordneten genau sagen zu lassen, wie intensiv die Abgeordneten in ganz unterschiedlicher Verantwortung in allen Fraktionen sich mit dem Thema beschäftigt haben. Manche haben die Sachen, für die sie gestimmt haben, tatsächlich angelesen! Und zur Abstimmung sind alle gekommen, nicht nur die üblichen 12 bis 15 Mann. Es hat auch länger gedauert als 57 Sekunden. Das zeigt doch den ganzen Ernst der Lage. Wir haben eine weit über zwei Drittel hinausgehende Mehrheit im Bundestag und Bundesrat, die wir mit viel Mühe geschaffen haben. Zahlungen an die Länder, Posten für diesen, Posten für jenen. Und der Bundestag ist ja das höchste der gewählten Verfassungsorgane. Gegen den dürfte das Verfassunggericht, das ja nicht das höchste Verfassungsorgan ist, eigentlich gar nichts sagen. Die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister macht sich doch diese Entscheidungen auch nicht leicht. Das muss man mal anerkennen, finde ich.
Nein: Na klar. Es wurde ja auch gestern deutlich, wie die Argumente abgewogen werden müssen.
Schäuble: Ja, genau so. Aber am Ende muss das Ergebnis stimmen, das ist wichtig. Dass es im Sinne der Menschen und des Landes ist.
Nein: Dennoch steht natürlich die Frage nach den demokratischen Mitbestimmungsrechten auf europäischer Ebene im Raum. Und nach der Verhandlung, nehmen Sie da eine Tendenz wahr bei den Richtern, wohin die Reise und ihre Entscheidung gehen könnte?
Schäuble: Die Richter legen großen Wert darauf, das haben sie in früheren Urteilen gesagt, das ist ja auch völlig richtig: So wie heute die Vertragslage in Europa ist, ist die Letztverantwortung, die Entscheidung bei den Bundestagsabgeordneten, denn die haben die Verantwortung für den Haushalt und damit für die Einnahmen, für die Steuern, aber auch für die Ausgaben, für die Risiken, die wir übernehmen, und deswegen müssen ja diese Entscheidungen alle vom Bundestag als dem dafür legitimierten demokratischen Verfassungsorgan getroffen werden. Wir wollten das ja in einen kleinen Ausschuss verschieben, aber das war dann auch wieder nicht recht. Die juristische Frage ist also, wer letzten Endes das sagen hat: Ich oder Herr Voßkuhle? Er hat ja zugegeben, es ist nicht Sache des Gerichts, die politischen Entscheidungen zu treffen, dazu sind diejenigen berufen, die wie ich demokratisch dafür gewählt und legitimiert sind. Das Gericht muss folglich anerkennen, dass wir die Grenzen der Verfassung gar nicht verletzen können, weil wir immer in der Lage sind, sie mit Zweidrittel-Mehrheit zu ändern! Deshalb bin ich mir sicher, dass sie nicht verletzt worden sind und werden werden. Trotzdem nun dieses Verfahrens in Karlsruhe, das gar nicht hilfreich ist. Aber es ist schon gut, dass wir ein Verfassungsgericht haben. Deswegen darf auch niemand auf das Verfassungsgericht Druck ausüben. Wobei ich noch mal sagen will: Aber jeder Richter hat natürlich genauso seine Verantwortung, wie jedes Mitglied der Bundesregierung, des Bundesrats und des Bundestags, der Bundespräsident übrigens auch, alle müssen an einem Strang ziehen für die Euro-Rettung und einsehen, dass wir alle genau so handeln müssen, wie das beschlossen worden ist.
Nein: Klar, die Politiker haben die politische Verantwortung, die Richter die juristische und müssen nun prüfen, ob das, was bereits beschlossen wurde, ob das vom Grundgesetz gedeckt ist. Und das Bundesverfassungsgericht hat ja wiederholt auch in den vergangenen Jahren angedeutet, die Grenzen könnten erreicht sein. Sie, Herr Schäuble, sind sich aber ganz sicher, dass das, was jetzt in Sachen ESM und Fiskalpakt zur Debatte steht, in jedem Falle verfassungskonform ist und das auch von den Karlsruher Richtern so bestätigt werden wird?
Schäuble: Ich bin da zumindest öffentlich ganz zuversichtlich, wie Sie sich denken können. Schauen Sie, das Bundesverfassungsgericht hat in seinen bisherigen Urteilen jede europäische Entscheidung nicht für verfassungswidrig gehalten. Hier und da hat es gesagt, ja, verfassungswidrig. Aber richtig ernst war das nie, das waren nur Petitessen. Etwa beim Maastricht-Vertrag und beim Lissabon-Vertrag und beim ersten Rettungspaket. Mehr Verträge hatten wir ja nicht. Ist ja auch einfach für die Richter, denn die Bundesregierung, der Bundestag, der Bundesrat, der Bundespräsident, alle prüfen ja vorher, ob das dem Grundgesetz entspricht. Jeder von uns - ich zum Beispiel auch - hat einen Eid auf das Grundgesetz geleistet - und ich bin außerdem auch Jurist - also keiner von uns macht sich das nicht leicht. Wir würden doch niemals eine Entscheidung treffen, von der wir nicht sicher sind, dass sie das Grundgesetz vielleicht verletzt, aber wenn, dann nur ein bisschen. Das wird dann stets mit einer letzten Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet und Ruhe ist. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht auch diesmal wie immer traditionell das Ergebnis bestätigen wird, das wir, der Bundestag und der Bundesrat gemeinsam gefunden haben.
Nein: Herr Schäuble, abschließend: Sie wirken gelassen. Hand aufs Herz: Sie haben es jetzt natürlich auch nicht mehr in der Hand. Das kann manchmal auch erleichternd wirken. Trifft das zu auf Sie?
Schäuble: Nein, Herr Nein. Ich meine, die Lage für unsere Wirtschaft ist nach wie vor eine sehr kritische. Wir sind in einer angespannten Situation. Aber glauben Sie mir, als ich damals mit dem Geldkoffer erwischt wurde, in der Parteispendenaffäre, das hat mich sehr viel mehr aufgewühlt. Da war es wochenweise wirklich eng um mich. Die Gefahr, dass wir einen schweren wirtschaftlichen Einbruch erleiden, ist für mich persönlich nicht so existenziell wichtig. Eher die Frage, ob ich nochmal Eurogruppenchef werden kann, das wollte ich immer schon mal machen. Deswegen: Es geht gar nicht nur um das Verfassungsgerichtsverfahren. Es geht immer auch ein wenig um mich, man will ja vor der Geschichte mit geradem Rücken dastehen und nicht der sein, der das alles in den Sand gesetzt hat. Was sollen denn da die Enkel sagen? Es ist sehr wichtig, dass wir die Erfolge, die wir haben - Griechenland, Frankreich, Spanien, jetzt auch Italien - das alles ist für die Zukunft nicht gesichert. Wir sind auf einem guten Weg, schon von Anfang an. Der Euro hat so viele Vorteile gebracht. Keine Umtauschgebühren mehr! Wer hätte das mal gedacht? Aber wir müssen darauf achten, dass es nicht gefährdet wird, und da sind wir in einer angespannten Lage. Die ehemaligen Wechselstubenbetreiber lauern doch schon.
Nein: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei PPQ. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schäuble.
Schäuble: Bitte, gerne! Auf Wiederhören, Herr Nein.
Freddy Nein: Die Richter in Karlsruhe wollen sich also vielleicht Monate anstelle von zwei oder drei Wochen Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu den Eilanträgen in Sachen Fiskalpakt und ESM zu fällen. Am Telefon begrüße ich jetzt den Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble (CDU). Guten Morgen!
Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Herr Nein.
Nein: Herr Schäuble, Sie haben gesagt, Sie hoffen auf eine baldige Entscheidung aus Karlsruhe. Ist Herbst früh genug?
Schäuble: Ich hoffe, dass sie früher entscheiden, denn das müssen sie. Deshalb habe ich gestern gesagt: Wir üben keinen Druck aus. Das ist ja die Art, wie wir, die Regierung, Druck ausüben. Wir haben unsere Argumente dargelegt, die sind klipp und klar, da kann das Gericht eigentlich nicht drüber weggehen. Übrigens auch nicht Herr Weidmann von der Bundesbank, über den ich mich sehr geärgert habe, wenn ich mal ehrlich bin. Herr Weidmann sagt, mitten in dieser Situation, auch eine Ratifizierung des ESM ist keine Garantie. was auch immer er damit meint - er muss doch mal fragen, wer hat ihn denn dorthin gesetzt? Glücklicherwiese hat er keinen Zweifel daran gelassen, dass eine Verschiebung der Ratifizierung des ESM, der Ratifizierung des Fiskalvertrages erhebliche Gefahren für die Finanzmärkte und die Stabilität der Euro-Zone beinhaltet. Blaues Auge, sage ich da nur. Knapp gerettet! Nicht nur deswegen, weil das so knapp war, haben wir das Gericht gebeten, kein Druck, nur eben mit aller Macht gebeten, so rasch wie irgend möglich zu entscheiden, denn wir müssen sehen: Wir sind nach zweieinhalb Jahren Rettungswesen in einer außergewöhnlich kritischen Lage. Die Ansteckungsgefahr für die Eurozone ist höher als je zuvor, ganz ehrlich, das ganze Retten hat nichts gebracht, nur gekostet hat es. Wir haben ja auch die Gefahr, dass nicht nur die Zinsen für Spanien steigen, sondern dass die Abflüsse von Kapital, die Bankeinlagen in den kritischen Ländern zunehmen, Stichwort Bankrun. da können Sie dann gar nichts mehr machen, nur Kapitalverkehrskontrollen, Grenzen zu, Klappe zu, Affe tot. Das ist eine Gefahr, die man nicht beherrschen kann und vor der haben wir Angst. War ich zu lang?
Nein: Nein, Herr Schäuble! Herr Weidmann hat meines Wissens aber auch gesagt, die Folgen des Stopps dieser Gesetze seien spekulativ.
Schäuble: Ja klar! Kann er nicht wissen, ich weiß es nicht, sie wissen es nicht und die Kanzlerin, naja, lassen sie es mich so sagen: Die weiß es auch nicht.
Nein: Und die Folgen des verspäteten in Inkrafttretens seien bereits von den Finanzmärkten eingepreist. Also so schlimm würde es nicht kommen nach seiner Meinung.
Schäuble: Ich glaube, ich bin dabei gewesen, soweit ich mich erinnere. Ich bin etwa zwölf Stunden in Karlsruhe gewesen und kann deshalb die Sprache von Ökonomen richtig interpretieren. Sie ihrerseits müssen mal versuchen, den Herrn Weidmann, der immer sehr besonnen und sehr sorgfältig formuliert, wenn er auch oft Quatsch erzählt, der nicht hilfreich ist, richtig verstehen. Also so wie ich. Wenn er sagt, das ist spekulativ, ist das natürlich völlig klar. Wir wissen nichts. Aber das wissen wir genau! Wie die Märkte reagieren werden, das wissen nicht einmal die Märkte selbst! Das ist ja die Eigenart von Märkten, dass Sie das nie wissen, bis es passiert ist. Deswegen sind ja auch die Vorhersagen von Ökonomen meistens falsch und ein so erfahrener Ökonom wie Jens Weidmann ist eben vorsichtig und sagt, das ist spekulativ, denn damit liege ich richtig. Das heißt, man weiß es nicht, man kann nur Spekulationen, also Überlegungen anstellen, wie es kommen kann. Aber daraus zu sagen, er hätte gesagt, das spielt keine Rolle und lasst euch ruhig Zeit, ist eine völlig falsche Interpretation seiner Äußerung. Sie können sicher sein, dass das nicht noch mal so durchgeht. Das sind krude Thesen, einfach krude Thesen.
Nein: Gleichwohl, Herr Schäuble, die Beobachtung ist natürlich schon in den vergangenen Monaten, sogar Jahren: Die Märkte reagieren auch bereits jetzt immer wieder höchst verunsichert. Nach jeder neuen Rettungsaktion gibt es vielleicht einmal ein Kursfeuerwerk, oder zumindest eine Beruhigung bei den Abwärtstrends, und nach ein paar Stunden oder Tagen sagen wir dann wieder, es hat nicht ausgereicht, die Finanzmärkte reagieren weiterhin enttäuscht.
Schäuble: Exakt, Herr Nein. Genau das ist ja das Problem und die Gefahr, wenn die Märkte jedes Mal sagen, wir sind noch nicht sicher, wer immer die Märkte sind. Ich rede seit Monaten, dass man die Märkte mal abschaffen müsste. Aber das ist ja auch kompliziert. Aber das Misstrauen ist: Ist dieses Europa in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zur Überwindung der Vertrauenskrise mit der notwendigen Verlässlichkeit und in angemessener Zeit zu treffen? Alle denken, nein, ist es nicht. Das denke ich ja auch, wenn ich ins nächste Jahr schaue. Dann haben wir Rot-Grün oder Schwarz-Rot und was ist dann? Ende Allende, wie sie im Osten sagen. Und genau daraus entsteht die Sorge, dass eine weitere Verzögerung dazu führt, dass die Märkte Recht bekommen. Genau das ist die Sorge, die alle miteinander haben - es ist ja nicht nur die Bundesregierung, die vielleicht aus dem Amt muss, um Platz für Herrn Gabriel zu machen. Es ist ganz Europa! Und die ganze Welt! Das Planetensystem! Das All! Der Euro ist das Schicksal des Kosmos, wenn Sie so wollen, zumindest des Teils, den wir schon beflogen haben. Wenn wir die Störung in der Eurozone noch weiter haben, drei Jahre, fünf oder 20, vielleicht 100 oder 1000, egal, ist das natürlich eine Gefahr für die Weltwirtschaft insgesamt. Eine Abschwächung oder gar ein Einbruch der Wirtschaft, des Wirtschaftswachstums in Europa würde die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Scheitert der Euro, scheitert Europa, scheitert Europa, ist es zu Ende mit der Menschheit, da rede ich jetzt mit Absicht Klartext. Wir sind ja mit Abstand die größte Wirtschaftsregion der Welt, wenn nicht weit darüber hinaus. Wir haben eine Verantwortung nicht nur für uns, für Europa, sondern sogar für die globale Weltwirtschaft. Und die Tierwelt. Und wegen unserer Verpflichtungen aus der Geschichte auch für fremde Völker.
Nein: Herr Schäuble, ist die Wahrnehmung richtig, dass wir uns im Augenblick in einem seltsamen Spannungsfeld bewegen? Sie selbst haben auch gesagt, Sie hoffen und wünschen eigentlich eine rasche Entscheidung, gleichzeitig wollen Sie auch keinen Druck auf die Richter ausüben. Die sollen sich aber dennoch, trotz der Gefahren, die Sie gerade beschrieben haben, alle Zeit der Welt nehmen, auch wenn es nun erst im Herbst zu einer Entscheidung kommt?
Schäuble: Sie müssen ihre Verantwortung genauso wahrnehmen, wie jeder Bundestagsabgeordnete seine Verantwortung wahrgenommen hat. Oder wie ich das tue. Sie müssen urteilen, wie es vernünftig wäre. Das ist ja in der Verhandlung sehr eindrucksvoll gewesen. Ich glaube, dass das auch die Richter beeindruckt hat, sich einmal von den Abgeordneten genau sagen zu lassen, wie intensiv die Abgeordneten in ganz unterschiedlicher Verantwortung in allen Fraktionen sich mit dem Thema beschäftigt haben. Manche haben die Sachen, für die sie gestimmt haben, tatsächlich angelesen! Und zur Abstimmung sind alle gekommen, nicht nur die üblichen 12 bis 15 Mann. Es hat auch länger gedauert als 57 Sekunden. Das zeigt doch den ganzen Ernst der Lage. Wir haben eine weit über zwei Drittel hinausgehende Mehrheit im Bundestag und Bundesrat, die wir mit viel Mühe geschaffen haben. Zahlungen an die Länder, Posten für diesen, Posten für jenen. Und der Bundestag ist ja das höchste der gewählten Verfassungsorgane. Gegen den dürfte das Verfassunggericht, das ja nicht das höchste Verfassungsorgan ist, eigentlich gar nichts sagen. Die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister macht sich doch diese Entscheidungen auch nicht leicht. Das muss man mal anerkennen, finde ich.
Nein: Na klar. Es wurde ja auch gestern deutlich, wie die Argumente abgewogen werden müssen.
Schäuble: Ja, genau so. Aber am Ende muss das Ergebnis stimmen, das ist wichtig. Dass es im Sinne der Menschen und des Landes ist.
Nein: Dennoch steht natürlich die Frage nach den demokratischen Mitbestimmungsrechten auf europäischer Ebene im Raum. Und nach der Verhandlung, nehmen Sie da eine Tendenz wahr bei den Richtern, wohin die Reise und ihre Entscheidung gehen könnte?
Schäuble: Die Richter legen großen Wert darauf, das haben sie in früheren Urteilen gesagt, das ist ja auch völlig richtig: So wie heute die Vertragslage in Europa ist, ist die Letztverantwortung, die Entscheidung bei den Bundestagsabgeordneten, denn die haben die Verantwortung für den Haushalt und damit für die Einnahmen, für die Steuern, aber auch für die Ausgaben, für die Risiken, die wir übernehmen, und deswegen müssen ja diese Entscheidungen alle vom Bundestag als dem dafür legitimierten demokratischen Verfassungsorgan getroffen werden. Wir wollten das ja in einen kleinen Ausschuss verschieben, aber das war dann auch wieder nicht recht. Die juristische Frage ist also, wer letzten Endes das sagen hat: Ich oder Herr Voßkuhle? Er hat ja zugegeben, es ist nicht Sache des Gerichts, die politischen Entscheidungen zu treffen, dazu sind diejenigen berufen, die wie ich demokratisch dafür gewählt und legitimiert sind. Das Gericht muss folglich anerkennen, dass wir die Grenzen der Verfassung gar nicht verletzen können, weil wir immer in der Lage sind, sie mit Zweidrittel-Mehrheit zu ändern! Deshalb bin ich mir sicher, dass sie nicht verletzt worden sind und werden werden. Trotzdem nun dieses Verfahrens in Karlsruhe, das gar nicht hilfreich ist. Aber es ist schon gut, dass wir ein Verfassungsgericht haben. Deswegen darf auch niemand auf das Verfassungsgericht Druck ausüben. Wobei ich noch mal sagen will: Aber jeder Richter hat natürlich genauso seine Verantwortung, wie jedes Mitglied der Bundesregierung, des Bundesrats und des Bundestags, der Bundespräsident übrigens auch, alle müssen an einem Strang ziehen für die Euro-Rettung und einsehen, dass wir alle genau so handeln müssen, wie das beschlossen worden ist.
Nein: Klar, die Politiker haben die politische Verantwortung, die Richter die juristische und müssen nun prüfen, ob das, was bereits beschlossen wurde, ob das vom Grundgesetz gedeckt ist. Und das Bundesverfassungsgericht hat ja wiederholt auch in den vergangenen Jahren angedeutet, die Grenzen könnten erreicht sein. Sie, Herr Schäuble, sind sich aber ganz sicher, dass das, was jetzt in Sachen ESM und Fiskalpakt zur Debatte steht, in jedem Falle verfassungskonform ist und das auch von den Karlsruher Richtern so bestätigt werden wird?
Schäuble: Ich bin da zumindest öffentlich ganz zuversichtlich, wie Sie sich denken können. Schauen Sie, das Bundesverfassungsgericht hat in seinen bisherigen Urteilen jede europäische Entscheidung nicht für verfassungswidrig gehalten. Hier und da hat es gesagt, ja, verfassungswidrig. Aber richtig ernst war das nie, das waren nur Petitessen. Etwa beim Maastricht-Vertrag und beim Lissabon-Vertrag und beim ersten Rettungspaket. Mehr Verträge hatten wir ja nicht. Ist ja auch einfach für die Richter, denn die Bundesregierung, der Bundestag, der Bundesrat, der Bundespräsident, alle prüfen ja vorher, ob das dem Grundgesetz entspricht. Jeder von uns - ich zum Beispiel auch - hat einen Eid auf das Grundgesetz geleistet - und ich bin außerdem auch Jurist - also keiner von uns macht sich das nicht leicht. Wir würden doch niemals eine Entscheidung treffen, von der wir nicht sicher sind, dass sie das Grundgesetz vielleicht verletzt, aber wenn, dann nur ein bisschen. Das wird dann stets mit einer letzten Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet und Ruhe ist. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht auch diesmal wie immer traditionell das Ergebnis bestätigen wird, das wir, der Bundestag und der Bundesrat gemeinsam gefunden haben.
Nein: Herr Schäuble, abschließend: Sie wirken gelassen. Hand aufs Herz: Sie haben es jetzt natürlich auch nicht mehr in der Hand. Das kann manchmal auch erleichternd wirken. Trifft das zu auf Sie?
Schäuble: Nein, Herr Nein. Ich meine, die Lage für unsere Wirtschaft ist nach wie vor eine sehr kritische. Wir sind in einer angespannten Situation. Aber glauben Sie mir, als ich damals mit dem Geldkoffer erwischt wurde, in der Parteispendenaffäre, das hat mich sehr viel mehr aufgewühlt. Da war es wochenweise wirklich eng um mich. Die Gefahr, dass wir einen schweren wirtschaftlichen Einbruch erleiden, ist für mich persönlich nicht so existenziell wichtig. Eher die Frage, ob ich nochmal Eurogruppenchef werden kann, das wollte ich immer schon mal machen. Deswegen: Es geht gar nicht nur um das Verfassungsgerichtsverfahren. Es geht immer auch ein wenig um mich, man will ja vor der Geschichte mit geradem Rücken dastehen und nicht der sein, der das alles in den Sand gesetzt hat. Was sollen denn da die Enkel sagen? Es ist sehr wichtig, dass wir die Erfolge, die wir haben - Griechenland, Frankreich, Spanien, jetzt auch Italien - das alles ist für die Zukunft nicht gesichert. Wir sind auf einem guten Weg, schon von Anfang an. Der Euro hat so viele Vorteile gebracht. Keine Umtauschgebühren mehr! Wer hätte das mal gedacht? Aber wir müssen darauf achten, dass es nicht gefährdet wird, und da sind wir in einer angespannten Lage. Die ehemaligen Wechselstubenbetreiber lauern doch schon.
Nein: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei PPQ. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Schäuble.
Schäuble: Bitte, gerne! Auf Wiederhören, Herr Nein.
2 Kommentare:
Gute Herausarbeitung des Größenwahnsinns, den Schäuble da blicken lässt. Auswirkung auf globale Wirtschaft mit Katastrophencharakter, phh... Selbst wenn es so wäre - den kleinen Mann auf der Straße würde dies doch kaum interessieren/betreffen.
Wiki:
Anfang September 2000 bat Schäuble vor dem Bundestag die deutsche Öffentlichkeit um Entschuldigung dafür, „dass unter der Verantwortung der CDU Gesetze gebrochen wurden“.
Ist die Gewaltenteilung irgendwo Gesetz? Oder gar Grundgesetz? Dann ist Schäuble der richtige Mann, es zu brechen.
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