Der Kinosaal ist voll, voller als alle anderen Säle an diesem Abend. Das war gestern schon so und vermutlich wird es morgen wieder so sein. Das Publikum besteht überwiegend aus jüngeren Männern, die überwiegend längere Haare tragen. Ein paar haben ihre Freundin dabei, ein paar sind in reiner Jungsrunde gekommen, um Adolf Hitlers jüngsten Kinohit anzuschauen: Die finnische Independend-Produktion "Iron Sky", hier beim Cineasten-Boards PPQ schon vor vier Jahren angekündigt, startete am Osterwochenende in Finnland und Deutschland und fand binnen weniger Tage rund eine Viertelmillion Zuschauer.
Das ist, nach normalen Kinomaßstäben gerechnet, eine Bilanz, die manche Hollywood-Produktion gern hätte. "Iron Sky" aber verdient die Aufmerksamkeit, ist der Film doch die bei weitem bitterste, absurdeste und gnadenloseste Abrechnung mit Vergangenheit und Gegenwart, die seit der britischen Sitcom "Yes Minister".
Die Versuchsanordnung folgt den Vorgaben einer Enthüllung der "Bild"-Zeitung: Ja, Hitler baute Ufos. Ja, seine Getreuen flohen nach der Niederlage im 2. Weltkrieg auf die dunkle Seite des Mondes. Dort haben Mondführer Wolfgang Kortzfleisch und sein Nachrichtenübermittlungsoberführer Klaus Adler das finstere Vierte Reich errichtet, vor dem zivilgesellschaftliche Akteure seit Jahren warnen.
Es ist ein Puppentheater, das wirkt wie eine Mischung aus "Star Wars", "Der große Diktator" und dem Defa-Klassiker "Signale". Untermalt von einem wagnerianischen Soundtrack der notorisch unter Missverständnisverdacht stehenden slowenischen Band Laibach hat Regisseur Timo Vuorensola mit Unterstützung der deutschen Filmförderung ein epochales Drama gedreht: Julia Dietze spielt die ahnungslose blonde Nazifee mit dem guten Herzen, Götz Otto ist der fiese Raumsturmführer, Udo Kier der göringhafte Hitlernachfolger, Tilo Prückner gibt den "Mini-Mengele", Christopher Kirby ist der große, schwarze US-Astronaut und Stephanie Paul ist unschwer als Sarah Palin zu erkennen, anno 2018 eine Präsidentin der USA, die skrupelloser ist als die ganze Nazitruppe auf den Stützpunkt "Schwarze Sonne".
Geht es denen darum, die Erde vom Joch des Materialismus zu befreien, steht Palin der Sinn nach Wiederwahl. Die Ereignisse sind turbulent, die Zusammenhänge nicht immer von der Logik gedeckt, auch die Gesetze der Physik werden außer Kraft gesetzt, etwa, um Julia Dietze vom Vakuum entkleiden zu lassen. Das aber stört gar nicht, denn das große Ganze wird deutlich erkennbar: Vuorensola zeigt, verpackt in das Kostüm einer hanebüchenen Science-Fiction-Story, ein Drama aus dem wahren Leben.
So wie hier auf der Leinwand, so funktioniert die Welt. Zum Beispiel, als der US-Astronaut zurückkehrt auf die Erde und beginnt, die Menschen zu warnen. "Da sind Nazis auf dem Mond" hat er auf ein Pappschild geschrieben, mit dem er in New York an einer Straßenecke steht. Es beachtet ihn selbstverständlich niemand. Oder die Versammlung der Uno-Mächtigen, in der nach dem Angriff der Kortzfleisch-Truppen die Frage auftaucht, welche Verteidigungsmöglichkeiten es denn jetzt noch gibt. "Unser Mars-Forschungsschiff George W. Bush", kündigt Sarah Palin an und das Bild zeigt einen waffenstarrenden Raumkreuzer. Große Empörung in der Weltpolitikerrunde - bis die "Bush" um Verstärkung bittet und aus allen führenden Nationen schwerbewaffnete Raumschiffe aufsteigen. "Das verstößt gegen alle Verträge", wütet Palin, "hat denn irgendwer seine Raumschiffe nicht bewaffnet?" Schüchtern meldet sich der Finne am Tisch.
Brillant und streckenweise pathetisch, vor allem, wenn Julia Dietze gegen ihre Rolle aus dem Schnittmusterbogen anspielt. Slapstick und Zeichentrick, Erotik und die logische Geschlossenheit eines Kriegsklassikers aus den Mosfilmstudios gehen hier eine feste Verbindung ein. In der Uno etwa sitzen als Vertreter ihrer Nationen Männer und Frauen, die in ihrer ahnungslosen Verlogenheit austauschbar sind. Als die Weltraumnazis angreifen und Sarah Palin den verängstigten Polit-Kollegen ein "Mars-Erkundungsschiff" als letzte, schwer bewaffnete Hoffnung der Menschheit vorstellt, empört sich die Bagage noch pflichtgemäß. Wenig später aber starten überall auf der Erde schwerbewaffnete "Erkundungsraumschiffe". Palin empört sich: "Gibt es überhaupt ein Land, der seine Raumschiffe nicht vertragswidrig bewaffnet hat?"
Verschüchtert meldet sich der Finne, alle anderen Hände bleiben unten. So ist die Welt in Wirklichkeit, es gibt kein Böse und kein Gut, sondern nur böse Böse und bösere Böse. "Iron Sky", zu einem kleinen Teil mit Internetspenden, zu einem großen aus Mitteln der deutschen Filmförderung finanziert, schafft den Spagat zwischen Klamotte und Kunstfilm, zwischen Klamauk und gallebitterer Anklage. Wenn am Ende Schwarz und weiß sich in den Armen und die Braunen in ihrem Blut liegen, hat hollywoodmäßig alles sein Pflicht-Happy-End. Draußen vor der Kinotür aber wird der Nazispuk weiter sein autarkes Medienleben führen, wird Hitler auch in hundert Jahren nicht sterben dürfen und sich der Meinungsmainstream weiter auf Gartenschlauch- und dann auf Strohhalmbreite verengen, ohne dass dieser freiwillige Akt des Denkverzichts je "Gleichschaltung" wird genannt werden müssen.
Immerhin: Julia Dietze wird nun bald die großen Rollen spielen.
Das ist, nach normalen Kinomaßstäben gerechnet, eine Bilanz, die manche Hollywood-Produktion gern hätte. "Iron Sky" aber verdient die Aufmerksamkeit, ist der Film doch die bei weitem bitterste, absurdeste und gnadenloseste Abrechnung mit Vergangenheit und Gegenwart, die seit der britischen Sitcom "Yes Minister".
Die Versuchsanordnung folgt den Vorgaben einer Enthüllung der "Bild"-Zeitung: Ja, Hitler baute Ufos. Ja, seine Getreuen flohen nach der Niederlage im 2. Weltkrieg auf die dunkle Seite des Mondes. Dort haben Mondführer Wolfgang Kortzfleisch und sein Nachrichtenübermittlungsoberführer Klaus Adler das finstere Vierte Reich errichtet, vor dem zivilgesellschaftliche Akteure seit Jahren warnen.
Es ist ein Puppentheater, das wirkt wie eine Mischung aus "Star Wars", "Der große Diktator" und dem Defa-Klassiker "Signale". Untermalt von einem wagnerianischen Soundtrack der notorisch unter Missverständnisverdacht stehenden slowenischen Band Laibach hat Regisseur Timo Vuorensola mit Unterstützung der deutschen Filmförderung ein epochales Drama gedreht: Julia Dietze spielt die ahnungslose blonde Nazifee mit dem guten Herzen, Götz Otto ist der fiese Raumsturmführer, Udo Kier der göringhafte Hitlernachfolger, Tilo Prückner gibt den "Mini-Mengele", Christopher Kirby ist der große, schwarze US-Astronaut und Stephanie Paul ist unschwer als Sarah Palin zu erkennen, anno 2018 eine Präsidentin der USA, die skrupelloser ist als die ganze Nazitruppe auf den Stützpunkt "Schwarze Sonne".
Geht es denen darum, die Erde vom Joch des Materialismus zu befreien, steht Palin der Sinn nach Wiederwahl. Die Ereignisse sind turbulent, die Zusammenhänge nicht immer von der Logik gedeckt, auch die Gesetze der Physik werden außer Kraft gesetzt, etwa, um Julia Dietze vom Vakuum entkleiden zu lassen. Das aber stört gar nicht, denn das große Ganze wird deutlich erkennbar: Vuorensola zeigt, verpackt in das Kostüm einer hanebüchenen Science-Fiction-Story, ein Drama aus dem wahren Leben.
So wie hier auf der Leinwand, so funktioniert die Welt. Zum Beispiel, als der US-Astronaut zurückkehrt auf die Erde und beginnt, die Menschen zu warnen. "Da sind Nazis auf dem Mond" hat er auf ein Pappschild geschrieben, mit dem er in New York an einer Straßenecke steht. Es beachtet ihn selbstverständlich niemand. Oder die Versammlung der Uno-Mächtigen, in der nach dem Angriff der Kortzfleisch-Truppen die Frage auftaucht, welche Verteidigungsmöglichkeiten es denn jetzt noch gibt. "Unser Mars-Forschungsschiff George W. Bush", kündigt Sarah Palin an und das Bild zeigt einen waffenstarrenden Raumkreuzer. Große Empörung in der Weltpolitikerrunde - bis die "Bush" um Verstärkung bittet und aus allen führenden Nationen schwerbewaffnete Raumschiffe aufsteigen. "Das verstößt gegen alle Verträge", wütet Palin, "hat denn irgendwer seine Raumschiffe nicht bewaffnet?" Schüchtern meldet sich der Finne am Tisch.
Brillant und streckenweise pathetisch, vor allem, wenn Julia Dietze gegen ihre Rolle aus dem Schnittmusterbogen anspielt. Slapstick und Zeichentrick, Erotik und die logische Geschlossenheit eines Kriegsklassikers aus den Mosfilmstudios gehen hier eine feste Verbindung ein. In der Uno etwa sitzen als Vertreter ihrer Nationen Männer und Frauen, die in ihrer ahnungslosen Verlogenheit austauschbar sind. Als die Weltraumnazis angreifen und Sarah Palin den verängstigten Polit-Kollegen ein "Mars-Erkundungsschiff" als letzte, schwer bewaffnete Hoffnung der Menschheit vorstellt, empört sich die Bagage noch pflichtgemäß. Wenig später aber starten überall auf der Erde schwerbewaffnete "Erkundungsraumschiffe". Palin empört sich: "Gibt es überhaupt ein Land, der seine Raumschiffe nicht vertragswidrig bewaffnet hat?"
Verschüchtert meldet sich der Finne, alle anderen Hände bleiben unten. So ist die Welt in Wirklichkeit, es gibt kein Böse und kein Gut, sondern nur böse Böse und bösere Böse. "Iron Sky", zu einem kleinen Teil mit Internetspenden, zu einem großen aus Mitteln der deutschen Filmförderung finanziert, schafft den Spagat zwischen Klamotte und Kunstfilm, zwischen Klamauk und gallebitterer Anklage. Wenn am Ende Schwarz und weiß sich in den Armen und die Braunen in ihrem Blut liegen, hat hollywoodmäßig alles sein Pflicht-Happy-End. Draußen vor der Kinotür aber wird der Nazispuk weiter sein autarkes Medienleben führen, wird Hitler auch in hundert Jahren nicht sterben dürfen und sich der Meinungsmainstream weiter auf Gartenschlauch- und dann auf Strohhalmbreite verengen, ohne dass dieser freiwillige Akt des Denkverzichts je "Gleichschaltung" wird genannt werden müssen.
Immerhin: Julia Dietze wird nun bald die großen Rollen spielen.
1 Kommentar:
Ich habe seit gestern einen ganz, ganz schlimmen Klimakater von dem ganzen Hitlerkram. Wer kann helfen? Vielleicht mit fettem Nazikater...???
Kommentar veröffentlichen