Nach der überraschend schnellen Einigung aller Parteien bis auf einige auf Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten wäre weiterer Druck von der Straße gar nicht mehr nötig gewesen. Volkes Stimme hatte nicht gesprochen, doch sie war erhört worden: Ein "Herzenspräsident" steht vor der Tür, beliebt wie Beckenbauer, porentief rein wie der Papst, ein "politischer Lehrer" wie Lenin und von jedermann und jeder Frau im Lande geliebt wie zuletzt der große Stalin. Was der nur im Osten schaffte, gelang Joachim Gauck im Handstreich auch im Westen: Jung und alt, konservativ und sozialdemokratisch, alle lagen ihm zu Füßen.
Der mitteldeutsche Staatsfunk MDR beschloss darauf, die Einigkeit aller auf Flaschen zu ziehen. Eine Umfrage! Eien Umfrage! Wir machen eine Umfrage schallte es durch die hochmodenen Sendehallen. Flink war ein Link freigeschaltet, auf dem das Stimmvieh seine Zustimmung artikulieren sollte. "Wir sind Gauck", hatte die "Bild"-Zeitung geschrieben, mit einem kräftigen "wir aber auch" wollte der Gebührenfunk sich in der Audienzanmelderliste des neuen ersten Mannes entsprechend engagiert in Erinnerung bringen.
Nur machte das Volk wieder nicht mit. Dieselben Leute, die Wulff verlässlich aus dem Amt gevotet hatten, waren auf mdr.de nun plötzlich dafür, den früheren Pfarrer nicht mit seiner Nachfolge zu betrauen. Satte 78 Prozent der 3.801 abgegebenen Stimmen sprachen sich unerhörterweise gegen Gauck aus, nur magere 19 Prozent wollen den Gottesmann als Hausherr im Schloss sehen.
Ein Hammer. Der MDR reagierte sofort. Und schaltete die Umfrageseite ab. Nur der tote Linkname gauck106.html verrät noch, worum es hier bis gestern ging. Nun haben wieder die namenlosen Gremien der Parteien das Wort, die einer Meinug oder - wie die "Bild"-Zeile verrät - gar keine sind. Sie werden unterstützt von den Redaktionen in den angeschlossenen Funkhäusern, die von eben jenen Gremien dabei überwacht werden, wie sie eben jene Gremien überwachen. Das Ende vom Lied ist der Nachfolger von Wulff: vielleicht nicht der Kandidat der Bürger. Aber ist der Kandidat "aller Parteien" (Bild). Und das reicht ja auch.
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12 Kommentare:
Nach Sarrazin und Guttenberg der dritte Messias.
Allmählich wirds langweilig.
bei guttenberg gehe ich ja mit, da war es medial dasselbe, zumindest zu 3/4
aber sarrazin? da war es doch das genaue gegenteil?
Daß die Bundespräsidenten per Umfrage ermittelt weden, das ist dem Kommentator neu. Insofern kann man ja das Verhalten des MDR schon als Wahlbetrug bezeichnen. Halten einfach die Wahlurne zu.
Zwischen wen kannst Du den wählen?
Es steht doch nur der Kandidat der Nationalen Front auf der Liste!:-)
http://www.freiepresse.de/LOKALES/ZWICKAU/ZWICKAU/Stadt-Zwickau-zahlt-die-Miete-fuer-Beate-Zschaepes-Katzen-artikel7910475.php ;-)
Das ist doch überhaupt nicht mehr spannend, wer Präsi wird. Viel interessanter ist, wer wird die First Lady?
Damenwahl im Bellevue!
Einfach mal eine Frage in die Runde. Geht es nur mir so oder finde ich das Gesabber um unsere Demokratie so ätzend. Wenn jemand nicht in irgendeiner Partei ist (und da möglichst) weit oben, wie weit ist es denn mit der politischen Willensbildung her?
Ist es nicht auch spezielle auffällig, daß offenbar die FDP das erste Mal die Quittung für derartiges konsequentes Ignorieren der eigenen Wähler bekommt?
Hören wir nicht immer wieder die Politiker dienen den Volk, kurz bevor Sie und mal wieder ausplündern?
Und zu Gauck, glaube hier auch nur einer, er wird den etwaigen ESM nicht unterschreiben?
"Nicht nur aus deutscher oder jüdischer Sicht ist die Erinnerung, Vergegenwärtigung und Darstellung des Holocaust von zentraler Bedeutung. Allerdings wird sich in den kommenden Jahren zeigen, welche Art des Erinnerns und Gedenkens von nachhaltiger Bedeutung sein wird. Nur am Rande sei die Gefahr der Trivialisierung des Holocaustgedenkens erwähnt. Unübersehbar
gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocaust. Das
geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes
in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem
Verstehen und der Analyse entzogen ist. Offensichtlich suchen
bestimmte Milieus postreligiöser Gesellschaften nach der Dimension
der Absolutheit, nach dem Element des Erschauerns
vor dem Unsagbaren. Da dem Nichtreligiösen das Summum Bonum
– Gott – fehlt, tritt an dessen Stelle das absolute Böse, das
den Betrachter erschauern lässt. Das ist paradoxerweise ein
psychischer Gewinn, der zudem noch einen weiteren Vorteil
hat: Wer das Koordinatensystem religiöser Sinngebung verloren
hat und unter einer gewissen Orientierungslosigkeit der
Moderne litt, der gewann mit der Orientierung auf den Holocaust
so etwas wie einen negativen Tiefpunkt, auf dem – so die
unbewusste Hoffnung – so etwas wie ein Koordinatensystem
errichtet werden konnte. Das aber wirkt »tröstlich« angesichts
einer verstörend ungeordneten Moderne."
@werhatsgesagt
Sag ich doch:Gauck fetzt! Die lebende Kirchenglocke lässt es schön tönen und klingeln und das wars dann.
Und da er nichts zu verlieren hat, kann er öffentlich Sarrazin gut finden und "Occupy" nicht. Das wird echt unterhaltsam, wie sich seit gestern interessierte Kreise an ihm die Zähne ausbeissen. Ich frag mich, wo die alle in den Neunzigern waren. Aber es darf eben jeder mal.
"... die Quittung für derartiges konsequentes Ignorieren der eigenen Wähler bekommt?..."
Die FDP bekommt die Quittung dafür, daß man sie nicht mehr braucht. Die Rolle als Mehrheitsbeschaffer und Partei der Burschwoasie sollen jetzt die Grünen übernehmen.
Außerdem hätte der MDR die Antworten besser vorformulieren sollen:
Ist J. Gauck der richtige Kandidat für das Bundespräsidalamt ?
a) Ja
b) Selbstverständlich
c) Buyur !
... oder die Frage:
Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Gauck Bundespräsident werden sollte, wenn dadurch die Mordserie der Nazi-Terrorzelle aufgeklärt wird ?
Ja/nein/Weißnich
genau so isses. wobei ich denke, es sollte sicherheitshalben "wenn nur dadurch" heißen
Ein Virus hat Laut Staatsfernsehen die Umfrage verfälscht. .
Sicher ein Anschlag der Nationalen Anonymisten.
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