Sonntag, 22. Januar 2012

NSU: Eine Muh, eine Mäh, eine Zschäperättätä

Schneller ist eine vergleichbare Terrorserie nach ihrem Bekanntwerden noch nie aufgeklärt worden. Zehn Wochen nach dem Banküberfall von Eisenach, in dessen Folge zwei der zwei tödlichen Drei von der Nazibande NSU sich in ihrem Wohnmobil selbst richteten, glänzt die 500-köpfige Ermittlungseinheit des Bundeskriminalamtes mit jeder Menge gesammelter Informationen: Acht Beschuldigte gibt es inzwischen, wobei nicht ganz klar ist, was ihnen vorgeworfen wird, fünf davon sitzen in U-Haft, teilweise wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, die vor Äonen verjährt sein müssten.

Aber noch darf niemand gehen, noch werten Spezialisten 5 000 Beweisstücke aus und sie durchsuchen sagenhafte 23 beschlagnahmte Computer mit einer Datenmenge von mehr als neun Terabyte, die wie ein warnender Fingerzeig darauf wirken, dass auch Terrorismus mit Bürokratismus zu kämpfen hat. Außerdem sind 800 Hinweise aus der Bevölkerung zu prüfen, von denen offensichtlich derzeit keiner zu sagen weiß, wie sie zur Klärung der rätselhaften Vorgänge um die selbsternannte NSU beitragen können.

Denn so nachdrücklich die Ermittler auch behaupten, sie gingen von diesem aus und hielten jenes für erwiesen – bewiesen und belegt ist beinahe genau so wenig wie in der ersten Woche nach dem Dahinscheiden von Mundlos und Böhnhardt.

Damals war unklar, warum die beiden skrupellosen Verbrecher, die in den vergangenen Jahren zehn Menschen ermordet hatten, sich umbrachten, weil sich ihrem Wohnmobil in Kürze eine Polizeistreife hätte nähern können. Stand heute: Mundlos starb durch einen Kopfschuss, den er sich selbst beigebracht hat, Böhnhardt ist von einer zweiten Person durch einen Nahschuss in den Kopf getötet worden. Doch ein Selbstmord lässt sich nicht eindeutig nachweisen, schreibt die FR.

Ähnlich vertrackt ist die Antwort auf die Frage, warum die beiden Gangster eigentlich in Eisenach waren. Um eine Sparkasse auszurauben, natürlich. Seltsamerweise hatten sie, die bis dahin in 13 Jahren gerademal ein Dutzend Banken überfallen hatten, eben erst acht Wochen zuvor ein Geldinstitut in Arnstadt ausgeraubt.

Warum so schnell wieder? Geldsorgen hatte die NSU keineswegs, wie die im ausgebrannten Wohnmobil gefundenen 110 000 Euro Bargeld belegen. Etwa 40.000 Euro stammten aus Banküberfällen aus dem Jahr 2008, kaum denkbar ist bei einer Gesamtbeute von nur knapp 500.000 Euro in 13 Jahren, dass das in Arnstadt geraubte Geld schon ausgegeben war. Warum also schon wiedereinen Überfall wagen, wo doch die übliche Frequenz bei anderthalb im Jahr lag?

Es gibt keine Antwort. Und es gibt auch keine dazu, warum Böhnhardt und Mundlos die Dienstpistolen der 2007 ermordeten Heilbronner Polizistin und ihres Kollegen mit an einen Tatort schleppten, nur um sie dann doch nicht zu benutzen, sondern sich umzubringen. Wunderlich auch das Vorgehen ihrer Hausmutti Zschäpe: Einerseits zündet sie die gemeinsame Wohnung an, um „Spuren zu verwischen“ (dpa). Andererseits nimmt sie nicht einmal die dort gelagerten Waffen mit, um sie in irgendeinen Fluß zu werfe. Dabei hat das von ihr entzündete Feuer nicht nur "Geldbanderolen von Banküberfällen in Sachsen" und "Stadtplanausrisse mit Notizen", sondern sogar "Kontoauszüge und Quittungen" (dpa) verschont, die nach Ansicht der Fahnder belegen, "dass Beate Zschäpe die Finanzverwalterin der NSU war".

Vermutlich hat sie von Böhnhard und Mundlos eingereichte Abrechnungsbelege über Mordspesen mit "genehmigt Zsch." abgezeichnet.

Dennoch wäre die "Terrorbraut" ihren Häschern beinahe entkommen, weil die sich eigentlich überhaupt nicht für sie interessierten. Der "Focus" berichtet Erstaunliches von der eiskalten Rechtsterroristin: Nachdem Zschäpe sich auf der Flucht aus Zwickau bis nach Halle durchgeschlagen hatte, wurde sie in der Saalestadt am 7. November "fast von einer Straßenbahn überfahren". Eine Passantin habe die NSU-Finanzministerin zurückgerissen, Zschäpe habe einen "sehr verwirrten Eindruck" gemacht.

Als sich Zschäpe am Tag danach bei der Jenaer Polizei stellen wollte, zeigte der diensthabende Beamte ihr die kalte Schulter. Er kenne keine Beate Zschäpe und wisse nichts von einer Fahndung oder Absperrungen vor dem Haus ihrer Mutter. Zschäpe musste sich so persönlich zum Revier begeben, um den Ermittlern einen Erfolg zu bescheren.

Ein Land schreibt einen Thriller:

NSU: Von der Zelle in die Zelle
NSU: Die Spur der Schweine
NSU: Gewaltbrücke zu den Sternsingern
NSU: Gebührenwahnsinn beim Meldeamt
NSU: Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
NSU-Todeslisten: Sie hatten noch viel vor
NSU: Was wusste Google?
NSU: Kommando späte Reue
NSU: Die tödliche Bilanz des braunen Terror
NSU: Mit Hasskappen gegen den Heimsieg
NSU: Mordspur nach Möhlau

22 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn die Rechtschreibprüfung versagt:

Auperdem

Volker hat gesagt…

Sie ist schon ein Wunderding, diese komplett ausgebrannte Wohnung. Wenn ich das richtig mitgekriegt hat die Polizei dort gefunden:
- lesbare Bekenner-DVDs
- lesbare USB-Sticks
- lesbare Festplatten
- Namenslisten mit 88 Namen
- Namenslisten mit zehntausenden Namen
- Handschriftliche Aufzeichnungen
- Geldbanderolen
- Stadtplanausrisse mit Notizen
- Tierarztrechnungen

Habe ich was vergessen?

Anonym hat gesagt…

Geldbriefe vom Verfassungsschutz.

Volker hat gesagt…

Noch eine Frage
Die FR (und alle anderen) behaupten, dass in der nationalsozialistischen Untergrund Terrorwohnung, die Pistole gefunden wurde, mit der die Dönermorde begangen wurden.
Gesichert ist, dass es der gleiche Typ ist.
Aber gibt es Beweise, dass es wirklich diese Waffe war? Bis jetzt sehe ich nur Behauptungen. Von Beschusstest oder so was habe ich noch nichts gelesen.

interessante Flugkörper hat gesagt…

Ich bitte Euch, kommt am 13.02. und am 18.02 alle mal nach Dresden. Wahrscheinlich ist nichts, aber auch gar nichts besser geworden. Auf Nebenkriegsschauplätze sind wir hier nicht angewiesen.

ppq hat gesagt…

volker, du kannst fragen stellen. ungehörig, sowas.

die waffe ist doch, so stand es mal am anfang irgendwo, "geschmolzen".

ich bin jetzt schon auf den prozess gespannt.

dresden? da fühlen sich ja immer beide seiten eingeladen. wissen wir übrigen wenigstens, was an dem tag im fernsehen kommt.

derherold hat gesagt…

"Außerdem sind 800 Hinweise aus der Bevölkerung ... "

Normalerweise hätte es 800 Hinweise PRO TATORT geben müssen aber ich bin seit Ende November der Meinung, daß Uwe&Uwe das "Tarnkappen-Wohnmobil" erfunden haben.

Im Kontext mit der Nachrichtensperre in Sachen "Lüttich" muß man davon ausgehen, daß die Nomenklatur nun auch offiziell zur Postdemokratie übergegangen ist.

ppq hat gesagt…

stimmt. lüttich. verdammich, das hatte ich auch schon... vergessen.

klappt also, ganz gut sogar

Anonym hat gesagt…

was war denn in Lüttich ??

Anonym hat gesagt…

Lüttich darf als Entschuldigung für die Mordtaten der NSU herhalten. Ganz einfach.

ppq hat gesagt…

das wäre eine nachgeschobene entschuldigung, ist logisch also quatsch. mord und totschlag würde von den regelmäßigen lesern hier niemand verteidigen, allerdings auch nicht dem diskussionsgegner unterstellen, das zu tun.

halten wir aber doch mal fest - lüttich war dank irgendwelcher umstände nur einen nqachmittag lang medienthema, im gegensatz zu breivik, dessen motive und anstifter vier wochen analysiert wurden. wir können jetzt ähnlichkeiten und unterschiede beider fälle betrachten und uns anschauen, wann das fiebrige medieninteresse durch engagiertes desinteresse abgelöst wurde. der zeitpunkt steht fest: es war der moment, als sich herausstellte, dass es weder ein rechtsradikaler täter noch ein durchgedrehter deutscher schüler war.

ab da waren, jetzt drehe ich das argument von oben mal rum, die morde nicht mehr so schlimm und die toten kaum noch toto. jedenfalls berichtet seitdem nur noch sehr selten jemand - und wenn, dann in einem eher zeremonöisen zusammenhang.

eulenfurz hat gesagt…

Die Blödbacke eine Finanzverwalterin? Die hätte warten sollen, bis auf ihre Ergreifung ein Kopfgeld ausgesetzt ist, um sich dann selbst zu ergreifen. Dann könnte sie sich jetzt wenigstens einen Anwalt leisten, der ihr das Zellenlicht ausknipsen läßt.

derherold hat gesagt…

"...für die Mordtaten der NSU ..."

Solange Hunderte von Hinweisen, Überwachungen, Fotos, Zeugen, Belastete aus der Zeit stammen, in der die NSU "spurlos untergetaucht" war aber "überraschenderweise" virtual nothing während sie brennend, raubend und mordend durch die Lande zog...

...und solange DER STAAT seltsam einsilbig wird, wenn nach "Ermittlungsakten" und "kriminaltechnische Untersuchungen" gefragt wird ...

...und angesichts des gigantischen Aufwandes und der comedy-reifen Artikel der Qualitätspresse, gehe ich eher von SebnitzII aus.

Kurt hat gesagt…

Das war doch nicht verwunderlich, daß die Frau jetzt einen neuen Vorwurf in der Öffentlichkeit vorgeworfen bekommt. Sonst hätte man sie vielleicht wie jede normale Brandstifterin behandeln müssen. Wobei: Ist eigentlich erwiesen, daß sie die Hütte angezündet hat? Bei den Fähigkeiten des doppelten Uwes könnte es ja auch eine unstoppbare Höllenmaschine gewesen sein. Oder eines von diesen Tonbändern, die sich nach Abspielen der Nachricht selbst zerstören.

Die Überschrifft zu diesem Blogpost könnte auch heißen: "Zwei U, zwei We, eine Zschäperätätä..."
Den Rest vom Text lass ich mir noch einfallen. Damit ich was zu singen habe, wenn in 21 Tagen die deutschen Sozialisten wieder im Zeichen des Hakenkreuzes durch meine Heimatstadt latschen und normales Schopping unmöglich machen.

Anonym hat gesagt…

Ob bei der RAF, Verena Becker,
oder bei der NSU, Beate Zschäpe,
immer hat der VS eine Informatin mit an Bord.

eulenfurz hat gesagt…

@Kurt
"... wenn in 21 Tagen die deutschen Sozialisten wieder im Zeichen des Hakenkreuzes durch meine Heimatstadt latschen ..."

Boah ey, gibts sowas oder ist das Hollywood?

Volker hat gesagt…

Herold, das ist kein Sebnitz II.
Sebnitz war ein übereilig und exzessiv aufgeblasenes Mißverständnis, das sehr schnell aufgeklärt wurde.

Hier liegen die Dinge anders.
Die Unmengen von in der ausgebrannten Wohnung "gefundenen" Beweise sind eine neue Qualität. So was gab es bis dahin noch nicht.

derherold hat gesagt…

"Hier liegen die Dinge anders."

@Volker, das sehe ich genauso.
Seit 2000 kann man eine Eskalation feststellen:
Beim "Nazi-Anschlag auf eine Synagoge in Düsseldorf", konnten Journalisten zunächst noch von einem "richtigen" Täter ausgehen.

In Sebnitz wurde, wie später erwähnt wurde, den angereisten Journalisten vor Ort sofort klar, daß es sich um eine Ente handelt und haben dennoch durchgezogen.

In Mittweida wurde nach dem "Vortäuschen einer Straftat" noch der Staatspreis der DDR verliehen.

Passau war der Probelauf: Es wurde erfolgreich getestet, ob man die Medienveröffentlichungen im Griff hat, daß KEIN Artikel erscheint, der die wahrscheinliche Lösung des Falles ausspricht.

P.S. Interessant, daß erneut ein Brandanschlag verwendet wurde, um ein Ermächti... äh... berechtigte Empörung der Zivilgesellschaft zu inszeni... räusper... auszulösen.

Volker hat gesagt…

"Passau war der Probelauf: Es wurde erfolgreich getestet, ob man die Medienveröffentlichungen im Griff hat, daß KEIN Artikel erscheint, der die wahrscheinliche Lösung des Falles ausspricht. "

EINE Online-Zeitung war damals ausgeschert: MV-Regio.
Die haben von Anfang an gehöhnt.

Kurt hat gesagt…

@eulenfurz

So was gibts! Das ist leider kein Hollywood
Hier ein Bild vom Genossen Krumbiegel (das ist der dicke Sänger von den Prinzen) auf der Demo vor einem Jahr in Dresden.

htp://www.neues-deutschland.de/artikel/210856.ehrung-ohne-klausel.html

Er trägt nicht nur mit Würde und Stolz ein Hakenkreuzplakat, sondern auch noch eine Schirmmütze mit dem Totenkopf-Symbol. Was soll man dazu noch sagen!!!

Oder hier: htp://4.bp.blogspot.com/-Rx_41D-SIV4/TWLPJS7e24I/AAAAAAAAJIs/RIjRVM9hP48/s1600/DRESDEN%2B2011%252BHOLGER%2BJOHN04.jpg

(das ist von: holger-john.blogspot.com/2011/02/rote-strassen.html )

Oder hier: htp://www.sz-online.de/bilder/2011_02/gr_2691826_415533658.jpg

Zu sehen ist die dresdner Parteizentrale der Genossen.

Ich mag da nicht mehr an Zufall glauben. Hier wird offen eine heimliche Leidenschaft für Symbole totalitärer Herrschaftssysteme ausgelebt. Das muß ich nicht haben.
Als ob man kein anderes Symbol finden könnte, was die Ablehnung von braunem Gedankengut zum Ausdruck bringt.

Ich werde es vielleicht mit einem durchgestrichenem PinkPanther versuchen. Falls ich mich durchringen kann, auf diese hakenkreuzverseuchte Demo zu gehen. Und falls ich meine Angst vorm schwarzen Block überwinden kann.

Anonym hat gesagt…

stmmt - durchgestrichene hakenkreuze sidn voll ngesagt bei den Zecken - als würde ein magisches Symbol dadurch seine Wirkung verlieren .

VRIL

Anonym hat gesagt…

weiter geht:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,811935,00.html