Ein Tag wie jeder andere, aber eben rund. Das muss gefeiert werden! Mauerbau auf allen Kanälen, Kampfgruppenkommandos im Kampf gegen das Sommerloch. Glücklicherweise hat Anders Breivik seinen Anschlag nicht auf den 12. August gelegt, auch die englische Unterschicht hatte ein Einsehen. So ist Platz ohne Ende für Gedenken und interaktive Mauergrafiken, für Historikergewäsch und kleine Erinnerungsfetzen an Chruschtschow.
Wer war schuld, wer hats verbrochen? Wer hat sein Volk eingemauert und sich selbst aus der Gemeinschaft der Demokraten ausgeschlossen? Als sei eine überraschende Neuigkeit zu verkünden, bemüht sich der große Fischerchor der Volksbildungsmedien wie ein Mann um Gleichklang: Ulbricht wollte, die Russen erst nicht. Dann wurde gebaut und dann wurde geweint. Familien waren getrennt. Und Deutschland war zweimal.
Mielkebilder und Ulbricht beim Volksturnen, Willy Brandt mit gefurchter Miene, Kennedy, der zum Flugzeug eilt. Ein verwirrendes Geschichtskapitel, das mehr Schachspiel um die Macht in Mitteleuropa war als Armdrücken am Checkpoint Charlie, reduziert auf die Sätze "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen" und "Ich bin ein Berliner".
Völker der Welt, schaut auf diese Stadt! Hier kam es am 13. August 1986, der heute auch Jubiläum hat, zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen Ost-Offizieren und West-Abgesandten. Nach "provokanten Ausschreitungen ehemaliger DDR-Bürger gegenüber Ostberliner Grenzsoldaten" lud die DDR-Seite die West-Polizei zur Entgegennahme einer Protestnote an den Mauerstreifen. Ein Offizier, der aussieht, als hätte ihn Dieter Wedel auf der Castingcouch für das große Doku-Drama "Stacheldraht und Peitsche - Blut in Bernau" entdeckt, liest empört, aber flüssig, eine dringende Mahnung vor, dass es so nicht weitergehen kann. Der Westberliner Polizist, den ein gnädiges Schicksal in diese und nicht in die andere Uniform gesteckt hat, lauscht aufmerksam und liest dann vor: "Ich weise Sie darauf hin, dass dieses Treffen rein technischer Natur war."
Bei Youtube hat ein Nutzer daruntergeschrieben "DDR ich vermisse sie!" Auf die Mahnung eines Kluggeborenen, dass die Mauer gar nicht gewesen sein, versetzte ein anderer "Ich wusste es doch, ein Wessi, der seine Bildung nur aus den Medien hat. Deine Südfrüchte kannste behalten und Steine und Mörtel hab ich noch. Bin schon fleißig am Bauen. Schönen Abend noch und bitte bleib auf deiner Seite."
Lässt man sich weitertreiben, entlang der Youtube-Grenze, bekommt das Leiden ein Gesicht. "Leise erklingt ein Lied im Grenzgebiet", jodelt ein Mann zur Gitarre. Grün war seine Waffenfarbe, groß ist nun die Sehnsucht nach schlechten alten Zeit.
Hubertus Knabe, ein West-Folklorist, der seinen Lebensunterhalt bis heute mit Hilfe der DDR fristet, hält es für höchste Zeit, ein bisschen DDR auch im neuen, schöneren Deutschland zu pflegen. Dass sich Menschen in DDR-Uniformen auf dem Pariser Platz zurechtstellen, um sich gegen Geld von Touristen fotografieren zu werden, müsse schleunigst unterbunden werden, findet er. 50 Jahre nach dem Mauerbau sei es an der Zeit, dass die Bundesregierung „dieses geschmacklose Treiben“ verbiete, erklärte Knabe. „Ich kenne kein anderes Land, in denen man in den Uniformen einer gestürzten Diktatur auf der Straße frei herumspazieren kann.“
Zwar ist das sowohl in Russland als auch in den USA möglich, auch Ungarn, Polen, Frankreich und Spanien gehen nicht gegen Träger von Diktaturuniformen vor und China verlangt von seinen Soldaten sogar, sie im Dienst zu tragen. Doch Knabe, dem immer noch nachhängt, nicht Bundestasigauck geworden zu sein, obwohl sich seit 20 Jahren im Bewerbungsgespräch wähnt, fordert von der Bundesregierung, ein Gesetz vorzulegen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot des öffentlichen Tragens von DDR-Uniformen schaffe. Weiter gestattet bleiben müsse natürlich das Tragen von Wehrmachtsuniformen, schließlich habe diese Armee am Mauerbau auch nicht mitgewirkt.
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2 Kommentare:
Danke für die Muse.
Ja, Mauerbaudokumentationen allerorten. Zum Glück kann ich lesen und muß nicht TV glotzen.
Obwohl, etwas neues haben wir erfahren: Bewohner des Grenzgebietes mußten ein Hausbuch führen. Ich wußte bis jetzt garnicht, daß ich Jahre meines Lebens im Grenzgebiet zum Klassenfeind verbracht habe.
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