Die Eisenbahn ist da, aber er hat sie nicht gesehen. Nun muss "Spiegel"-Reporter René Pfister den nach dem SS-Kriegsberichtserstatter Henri Nannen benannten Journalistenpreis zurückgeben. Er habe den Eindruck erweckt, dort gewesen zu sein, in dem Ferienhauskeller, in dem einer der führenden Politiker des Landes zeitweilig mit einer Spielzugeisenbahn zu spielen pflegt. So aber werde der Leser getäuscht. Es werde ein "falscher Eindruck" erweckt, heuchelte eine Medienredakteurin der "Berliner Zeitung" in 3sat: "Die ganze Jury hat ja geglaubt, dass er da war."
Die ganze Jury bestand auch aus Journalisten, die inzwischen die Letzten sind, die sich selbst noch ernst- und die eigenen Mitteilungen für bare Münze nehmen . Wie sonst könnte sich die ganze Branche alljährlich mit staatsmännischen Aplomb bei einer Preisverleihung versammeln, die auf Initiative eines Mitgliedes einer der SS-Standarte Kurt Eggers zusammenfindet. Immerhin - es war eine Propagandakompanie, was insofern wieder gut passt.
Denn wenn deutsche Zeitungen und Magazine heute eines gut können, dann Propaganda machen. Und das am liebsten, indem sie den Eindruck erwecken, sie seien da gewesen. Das Handelsblatt etwa war kürzlich erst direkt im Reaktor von Fukushima, wie Bilder auf der Homepage verraten: Handelsblatt.com steht dort als Quelle von Aufnahmen direkt aus dem Höllenschlund. Gut, die Bilder sind in Wirklichkeit vom Kraftwerksbetreiber Tepco. Aber hat der Leser nicht das Recht, für sein Geld wenigstens den Eindruck vermittelt zu bekommen, er kaufe eine Leistung ein und nicht reine Public Relation?
So sieht das auch der "Spiegel", nach Ansicht von Branchenbeobachtern bei 3sat abgesehen vom Fall Pfister bekannt für seine strengen Rechercheregeln und die vielmalige Prüfung aller gemeldeten Fakten. Vor einem Jahr etwa kam heraus, dass ein Spiegel-Team eingebettet in einem US-Hubschrauber miterlebt hatte, aus dem heraus mehrere Menschen in Bagdad erschossen wurden. Die "Spiegel"-Männer drehten einen Film über den unglaublichen Vorfall, den Neugierige mit der Quellenangabe "Spiegel Online" auf der Homepage des Nachrichtenmagazins anschauen konnten. Erst auf PPQ-Nachfrage gestand die Redaktion dann ein, dass das Video eigentlich aus US-Army-Beständen stammte und man die Quellenangabe "Spiegel Online" nur hinzugefügt habe, um die "journalistische und redaktionelle Bearbeitung" kenntlich zu machen.
Ein Fall für den Presserat! Aber wohin denn. Eine Beschwerde gegen die Falschauszeichung der Videoquelle wurde vom höchsten Aufsichtgremium über Reinheit und Feinheit des deutschen Journalismus mit der Begründung abgelehnt, man könne keinen Verstoß gegen Standesregeln erkennen. Eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Beschwerde wird seit mehr als einem halben Jahr "geprüft".
Das Ergebnis wird dasselbe sein. Denn borgen und klauen, fälschen und blenden tun sie alle. Die "Tagesschau" zum Beispiel kommt keine Woche aus, ohne dass Filmschnipsel aus "Youtube" mit der Quelle "Youtube" gesendet werden. Die Älteren in der Redaktion wissen sicherlich noch, dass Youtube so wenig eine Quellenangabe ist wie "ARD" eine wäre. Aber "Youtube" - ein Herkunftsnachweis, mit dem der mitteldeutsche MDR kürzlich auch Filmsequenzen ausschilderte, die von PPQ stammten, ist ja noch konkret. Andere Sender, andere Sitten: RTL beliebt, "Internet" als Quelle anzugeben. Gute Idee - der Film oben, nur zum Teil aus PPQ-Aufnahmen zusammengebaut, trägt den Quellennachweis "Fernsehen".
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1 Kommentar:
Mistkrepel!
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