Mittwoch, 23. Februar 2011

Guttenberg: Geblieben, um zu gehen

Es wäre seine große Chance gewesen, der deutsche Politiker des gerade beginnenden Jahrzehnts zu werden. Karl-Theodor zu Guttenberg, der Mann, der Michel Friedmans Frisur aufträgt, hatte sich den Ball zum Elfmeter selbst hingelegt, den er zur uneinholbaren Führung hätte verwandeln können. Während Kanzlerkandidatenkonkurrentin mühsam an einem sogenannten Hartz4-Kompromiss herumstöpselte, wusste der Franke seine von einem Ghostwriter blind aus Fremdquellen zusammengetippte Dissertation kurz vor der medialen Entdeckung.

Dann, so war der Plan gewesen, als Guttenberg seine Karriere entwarf, würde er ein ganz klein bisschen zögern. Und dann unter Pomp und Tränen zurücktreten.

Die Rede zum Abschied hatte sich Guttenberg schon geschrieben, selbst, ausnahmsweise. Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, hatte er sagen wollen, ich habe einen großen Fehler gemacht, einen Fehler, den bloßes Politikergeschwätz, wie Sie alle es von mir und meinesgleichen kennen, nicht mehr wiedergutmachen kann. Ich habe versucht, Sie alle, meine Wählerinnen und Wähler, zu betrügen. Zu betrügen in einem Moment, in dem ich dachte, niemand von Ihnen wird mich dabei ertappen. Ich habe es mir leicht gemacht und der Verführung nachgegeben, weil ich sicher war, dass ich sie alle hintergehen kann, ohne dass Sie es je bemerken werden.

Ich weiß, auch das sagt Ihnen jeder, und ich kann deshalb nur hoffen, dass Sie es mir abnehmen: es tut mir leid. Es tut mir leid um meine Karriere, es tut mir leid für meine Familie, es tut mir leid um meinen alten Namen, den ich besudelt habe. Es tut mir aber auch leid um das Vertrauen, dass Sie alle in mich gesetzt haben. ich habe Sie enttäuscht, ich bin es nicht wert, für Sie zu arbeiten. Ich stelle mein Amt hiermit zur Verfügung.

So, genau so, hatte Karl-Theo zu Guttenberg sprechen wollen. Die Herzen wären im zugeflogen, der smarte Christsoziale wäre über Nacht vom verspotteten Politstar zur moralischen Instanz gewachsen - und das nur um den Preis eines Ministerpostens, der ihm in den kommenden Jahren ohnehin nicht mehr einbringen wird als Gespött und Kritik.

Er wäre gewesen, was "Spiegel" und "Bild" in traditioneller Einigkeit ohnehin schon in ihm sahen: Die Erlöserfigur, der deutsche Obama, erschienen auf höheren Willen, gestählt in einer tiefen Krise, aber nur, um zurückzukehren mit einer Glorie aus Superheldentum und ganz normalem Menschlichsein. Keine van der Leyen, kein Scholz, kein Özdemir, der diese Kur schon hinter sich hat, hätte Guttenbergs Durchmarsch ins Kanzleramt noch aufhalten: KTG wäre die deutsche Chiffre für Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Stil gewesen, eine Figur wie aus dem Märchen, die bereit ist, die Konsequenzen eigenen Handelns selbst zu tragen, statt sie, wie Politiker das meist fordern, von Sozialarbeitern und Behörden vom Hof schaffen zu lassen.

Guttenberg wäre vom Platz kurz an die Seitenlinie gewechselt, aus der Kurve hätte hätte er nach einer kurzen Karenzzzeit voll offensiv ausgelebter innerer Zerknirschung jede Menge kluge Kommentare in die Runde geworfen. Das Volk, an Verlogenheit, Nepotismus und Demagogie in der Politik gewöhnt wie an Chlor im Trinkwasser, hätte auf ihn gewartet. Und ihn bei nächster Gelegenheit fürstlich belohnt.

So war der Plan, der nie nun nie mehr mehr sein wird. Denn dann beging Theo Guttenberg Selbstmord an der eigenen Karriere. Er hielt die in langen Nächten vorbereitete Rede nicht. Er hängte sich ans Amt. Er scheute die Trennung, die für eine Wiederkehr im Triumph doch so enorm wichtig ist. Er ging nicht den schweren weg nach unten, um wie Phönix aus der Asche strahlen wiederzukommen. Er machte den Gaddafi, bunkerte sich in Ausreden ein, gab nach, wo er musste, und schwieg, wo er konnte.

Ein Mann ohne Forma, ein Mann ohne Machtvision, ein Titelkäufer, der ins Kanzleramt will, doch auf dem Weg dorthin nicht bereit ist, auch mal eine Nacht draußen zu schlafen. Ein ehrloser Egomane, zumal wenn man bedenkt, dass "sich ein Adliger noch vor gut hundert Jahren nach solch einer Blamage selbst erschossen hat", wie Gustaf Fröhlich zurecht bemerkt. "Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war", schrieb Heinrich von Kleist, der sich vor hundert Jahren am Wannsee erschoss. Guttenberg geht von der Bühne ohne so große Worte, indem er bleibt.

9 Kommentare:

derherold hat gesagt…

"Ich weiß, ... Ich stelle mein Amt hiermit zur Verfügung."

Das hat Charme und wurde von mir (so ähnlich) erhofft ... und das, obwohl ich Guttenberg für einen schlimmen Opportunisten halte.

Das hätte er (vielleicht) gesagt, wenn er Herr über die eigene Karriere wäre. Ist er das ?

Ich weiß nicht, auf wessen Ticket er Karriere (ge)macht (hat), deshalb kann ich auch nicht sagen, was ihm seine Gönner empfohlen (oder befohlen) haben.

ppq hat gesagt…

gute frage. er hätte die kanzlerin in schwulitäten gebracht mit einem rücktritt jetzt, das ist klar. aber er hätte das volk hinter sich versammelt.

vielleicht fehlt es ihm aber einfach an rafinesse und intellekt, solche chancen zu sehen.

so wird er halt rausgetragen werden

Die Anmerkung hat gesagt…

Das Pfeifferle, das sich ja mit Internetkriminalität gut auskennt, schweigt. Weil Guttenberg kein Kind mehr ist? Weil er selber das eine oder andere zuviel kopiert hat?

Sein kriminologisches Fachwissen sollte aber dazu ausreichen, uns eine Frage zu beantworten. Ist Guttenberg ein Hochstapler?

Herr Pfeiffer, antworten sie lieber nicht. Wir wollen das gar nicht wissen.

derherold hat gesagt…

Pfeiffer ist auch so eine originelle Nummer.

Nach seiner Verstrickung in den Sebnitz-Skandal gab es doch nur eines: EDEKA - Ende der Karriere.

... und der wurde Justizminister.

Da fragt man sich dann schon, ob nicht vielleicht Außerirdische gelandet und als "Körperfresser" von unserer Nomenklatur Besitz ergriffen haben.

... was einiges erklärte.

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

Sehr geehrte "Die Anmerkung",

ich mußte in den letzten Tagen nun öfters an den 2005 vorzeitig geschaßten Paul Kirchhof denken; und daß obwohl der Professoren-Titel und Doktor-Titel bei ihm wohl wirklich hart erarbeitet sein dürften.

Das eigentliche Problem war damals nicht die Opposition in Form Gerhard Schröders, sondern bei Kirchhof war sehr schnell klar, daß er zur ernsthaften Gefahr für Merkel werden würde (und aufgrund seiner unzweifelhaften Autorität durch die Medien unantastbar war).

Da Merkel'sche Problem ist die Mittelmäßigkeit, die zum Regieren herangezogen wird. Bis zur letzten BT-Wahl hielt ich es der großen Koalition geschuldet, daß überwiegend Mittelmaß und intellektuelle Flachpfeifen im Kabinett sitzen. Aber seit 2009 ist klar, daß das System hat. So fällt wenigstens nicht auf, daß Merkel die größte Null unter alle ist.

Daß der Null am Ende auch gewisse Anstandsformen fehlen, sei nur am Rande erwähnt.

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

Nachtrag:

Originalzitat Guttenberg: „In solchen Fällen ist es geradezu eine Verpflichtung, sich Sachverstand von außen zu holen.“
(http://www.focus.de/politik/deutschland/auftrag-an-linklaters-kuenast-will-beweise-von-guttenberg_aid_428879.html)

Das kann dann man wohl getrost als Freud'schen Versprecher bezeichnen!?

nwr hat gesagt…

@Gustaf Fröhlich
Paul Kirchhof? War das nicht der, welcher für den Staatsfunk ein Gefälligkeitsgutachten erstellte?

Dietmar Bartsch hat gesagt…

«Früher wusste der Adel, was an so einer Stelle zu tun ist.»

Die Anmerkung hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Bartsch,

schön, mal wieder von ihnen zu hören und zur Kenntnis zu nehmen, daß sie diesen Blog fleißig mitlesen. Das, was sie sagen, hatte Gustav Fröhlich bereits vor 2 Tagen hier hinterlassen.

Da fällt mir noch eine Frage ein. Können sie sich noch an ihre Aussage von 2003 erinnern, daß sie nie wieder in die Politik gehen wollen, da man in der freien Wirtschaft wesentlich besser verdiene? Es war jene Zeit, als sie als Unternehmensberater übers Land getingelt sind, weil in diesem Land keine politische Verwendung für sie war.