Samstag, 8. Januar 2011

Fette, hässliche Faschisten

Kaum junge, knackige Girls, nur wenige Profi-Fußballer und Nageldesignerinnen, dafür aber jede Menge fetter, hässlicher Faschisten - die durchweg von schönen Menschen mit gesundem moralischen Hintergrund gelesene "Süddeutsche Zeitung" hat
endlich herausgefunden, was das für fragwürdige Gestalten sind, die Thilo Sarrazins Machwerk "Deutschland schafft sich ab" gekauft haben, obwohl nicht nur die Kanzlerin, sondern auch die Süddeutsc he selbst mehrfach davor gewarnt hat. Durch die Gesellschaft für Konsumforschung wurde, so berichtet die SZ, nunmehr "die Psychologie der Käufer" des Buches ausspioniert. Mit einem Ergebnis, das sich sehen lassen kann: Sarrazin-Leser "sind in erster Linie männlich", sie "gehen gerne ins Volkstheater" und, schreibt das Leitblatt aller Menschen,, die erst in zweiter Linie männlich sind, sie "müssen nicht überall dabei sein".

Nur hier offenbar doch, denn trotz aller Warnungen vor "kruden Thesen" und einer nur schlecht getarnten Neuauflage von Hitlers Buch-Hit "Mein kampf" muss derzeit bereits die 16. Auflage gedruckt werden. Klar, dass die SZ, die selbst nur ein Drittel der Sarrazin-Auflage erreicht, wissen will, wer das ist, der das Werk etwa im Buchshop der SZ bestellt.

Über die Ergebnisse staunt die Fachredaktion dann selbst. Es sind - das scheint eine faustdicke Überraschung gewesen zu sein - keineswegs die üblichen Leserinnen von Fachbücher wie "Moppel-Ich" und "Tausend Tage in der Toscana", die Sarrazin lesen wollten. Und das, schreibt die SZ fast schon erschrocken, obwohl doch bekannt sei, dass "Frauen als Buchkäufer und Leser im Normalfall wesentlich aktiver als Männer".

Bei Sarrazin aber herrscht der Mensch, der "in erster Linie männlich" ist. 62 Prozent der Käufer hätten "das Buch überwiegend für sich selbst gekauft", zuvor seien sie zu diesem Zweck sogar "mit dem Ziel, es zu erwerben, losgezogen".

Ist es "der spezifische Sarrazin-Ton, der das weibliche Publikum abschreckt?", fragt das Blatt, ohne zu erklären, wie der Ton eines Buches, das man weder gekauft noch gelesen hat, einen abschrecken kann, es zu kaufen oder zu lesen. Dabei hätte ein Anruf bei Angela Merkel, die Sarrazins Werk als "nicht hilfreich" bezeichnet hatte, ohne es zu kennen, schnell weiterhelfen können.

Doch es geht hier nicht um Antworten, sondern einmal mehr um die Schere zwischen journalistischer Weltwahrnehmung und einer Wirklcihkeit, die sich weigert, so zu sein, wie sie gefälligst zu sein hätte, wäre die redaktion der "SZ" eine Art Weltregierung. Wie die Durchschnittstemperatur von den Klimavorgaben weicht auch die Altersstruktur der Sarrazin-Käufer "deutlich von der Gesamtbevölkerung ab": Kaum Junge unter 19 Jahre, die sonst bekanntlich Reportage-Bücher wie das von gleich drei SZ-Redakteuren verfasste "Die Seite Drei" in Massen kaufen. Dafür aber "die über Sechzigjährigen überproportional stark" und "auch bei der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre überdurchschnittliches Interesse". Dann sind es auch noch die eher Wohlhabenden, die die 22,99 Euro übrig hatten: je höher das Einkommen, desto häufiger besitzen seine Bezieher das Buch. Dasselbe gelte für Menschen mit Abitur und/oder Studium.

Kaum fette, häßliche Faschisten offenbar, so sehr man sie auch gern irgendwo gefunden hätte. Sehr wohl dagegen ein Leserkreis, wie ihn jede Untersuchung auch der "SZ" nachweisen würde: Männliche Stubenhocker. Mit gewissen Unterschieden natürlich. Denn wo der SZ-Durchschnittsleser auf wilde Partys, wechselnde Sex-Partner und Drogenkonsum vor jeder Autofahrt ins Unbekannte steht, nennen Sarrazin-Leser ein "harmonisches Privatleben" und die "Sauberkeit der Wohnung" als wichtige Prämissen.


Die Coda des journalistischen Meisterwerkes an Informationsverdünnung folgt der unausgesprochenen Erkenntnis der Selbstähnlichkeit beider Lesergruppen fast zwangsläufig, ohne jedoch darauf Bezug zu nehmen. Die Grundhaltung der Sarrazin-Leser ist konservativ, geizig, erfolgsorientiert und faul, im Durchschnitt, der hier gebildet wird aus denen, die so sind und aus denen, die das Gegenteil vertreten, wird flott als "eine gewisse Schizophrenie" diagnostiziert: eiserner Wille, an der Spitze zu stehen, aber keine Lust auf Veränderung. Leistungselite, die das Wohnzimmersofa nicht mehr verlässt. "Ein wenig spiegelt das, was hier sichtbar wird", schließt der Analytiker, "auch die späte Berufung des Thilo Sarrazin selbst". Ein ganzes Berufsleben habe der Mann im gesicherten Beamtenstatus verbracht, bevor er in die risikoreiche Existenz des Volksdemagogen aufbrach. "Nicht ohne allerdings vorher noch den letzten Cent seiner Pensionsansprüche einzufordern."

Was ein SZ-Redakteur in derselben Situation niemals gemacht hätte.

Mehr Grauen mit Sarrazin

Direkt zur Staatskrisenberichterstattung im Original
Über den Unsinn der Typisierung schreibt Zettel

17 Kommentare:

daniel hat gesagt…

Zunächst dachte ich, dass du sicherlich übertreibst. Aber im Original ist die SZ ja der Mega-Schocker.

Wer sind diese Leute? Und was suchen die auf unserem Planeten?

Oels hat gesagt…

In das analysierte Käuferprofil passen perfekt die Amokläufer von Erfurt und Winnenden.

VolkerStramm hat gesagt…

Irgendwelche Neuigkeiten?
Eher nicht.
Die Stern- und SZ-Vorgänger, also der Völkischer Beobachter und Stürmer, haben es ja vorgemacht. Gar nicht erst auf die Sachebene begeben, sondern das Problem von der Wurzel her, der Erbmasse, angehen - so wie Propagandaführer Frank Thomsen und Tobias Kniebe uns das vorführen.
Eigentlich ganz einfach. Die Basistexte kann man weitgehend übernehmen, nur die Subjekte sind zu tauschen. Im Genderdiskurs nehme man einen x-beliebigen Streicher-Text, tausche Jude gegen Mann und Arier gegen Frau – fertig ist die Doktorarbeit.
Ebenso leicht beim Sarrazin-Bashing.
Wobei die Vorarbeit (Copyrightverletzung?) tatsächlich von anderen erledigt wurde.
Die Überlegenheit der progressiven Herrenrasse über das konservative Untermenschentum wurde bereits von „Wissenschaftler“ Kanazawa und dem Gesindel der University College London (UCL) nachgewiesen.

ppq hat gesagt…

ich glaube in letzter zeit bemerken zu müssen, dass die miesetse, verheucheltste sorte lauwarmer journalismusersdatz derzeit von der "SZ" geboten wird. das ist bisher aber nur so ein gefühl.

der beitrag hier jedenfalls markiert das revier noch mal neu nach unten. man merkt in jeder zeile, wie gern sie herausgefunden hätten, dass die hälfte der sarrazin-leser ein hitlerbärtchen trägt.

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

Man kann Sarrazin, resp. sein Buch, mögen oder auch nicht mögen. Man kann dies auch öffentlich äußern; ohne daß man nun unbedingt sein Buch gelesen haben muß.
Dafür reichen mitunter zwei Zeilen; wobei man mit Rücksicht auf seine eigene Position sich manchmal auf die Formel "nein, ich habe es (noch) nicht gelesen; kein Zeit etc." zurückziehen sollte.

Ob der trotzig-aufmüpfigen-hilflosen-psyeudowissenschaftlichen Aufbereitung des Themas sollte man stattdesen den ein oder anderen Populärjournalisten raten: "Schuster bleib bei deinen Leisten". Dabei steht die versammelt Qualitäts-Journalie vor demselbenProblem, was sie Sarrazin permanent vorwerfen: sie kommen mit einer komplexer gewordenen Lebenswirklichkeit nicht mehr zurecht; wollen sie scheinbar nicht mal ansatzweise akzeptieren.
Was sie dann in ihren "Meinungsmache"-Medien publizieren, stellt dann nicht mehr als die nächste Steilvorlage dar.
Ich kann mir gut vorstellen, daß Sarrazin zu Hause sitzt und sich ob des gequälten Wortwitzes zuerst tot lacht und dann in Spitzbubenmanier den nächsten Streich ausdenkt.

Eine reife Leistung ist das aber weder auf der einen noch auf der anderen Seite.

VolkerStramm hat gesagt…

ich glaube in letzter zeit bemerken zu müssen, dass die miesetse, verheucheltste sorte lauwarmer journalismusersdatz derzeit von der "SZ" geboten wird.

Dem kann man schwer widersprechen.
Aber war das schon immer so und ich habe es nur nicht bemerkt?
In den 90ern habe ich jedenfalls die SZ gern gelesen, heute kann man dieses Drecksblatt nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen.

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich war vor 6 Jahren 2 mal im Bayerischen zur Kur, da blieb halt nur die SZ oder das örtliche Wurstblatt. Ich erinnere mich zumindest daran, daß ich mich samstags oftmals eine Stunde und länger festgelesen hatte, weil die Beilage schweinegut geschrieben war. In der Woche reichte damals schon ein kurzes Überfliegen der Überschriften, um Zeit für die Behandlungen zu schinden.

daniel hat gesagt…

Bei mir im Treppenhaus liegt die SZ sozusagen öffentlich aus, da der Abonnent sie nicht regelmäßig abholt. Mittlerweile findet sich noch nicht einmal jemand, der sie klauen will.

derherold hat gesagt…

Die *SZ* galt noch vor sechs, sieben Jahren als beste deutsche Tageszeitung (... man denke auch an den Untergang der *Zeit*).

Ich glaube, es war *Le Monde* die mal "politisch korrekt" mit "nicht das eigene Lager angreifen" übersetzte. Da nun "das eigene Lager" das juste milieu der BRD darstellt, wird man geradezu zwangsläufig zum Regierungsorgan, das permanent "entlarvt".

ppq hat gesagt…

die haben es ja alle nicht leicht, vielleicht liegt es daran. aber in einem land, in dem einen die radiosprecher anschwatzen als wäre man grenzdebil und in dem einem die wetteransager erzählen, was man tagsüber so für wetter erlebt hat, sind wohl zeitungen, die sich nicht zu schade sind für aufwendig ausgedachten unsinn nur logisch

Gudrun Eussner hat gesagt…

Man erwarte jetzt aber nicht, daß die SZ aus den Umfrageergebnissen auch nur das geringste für ihre eigenen Artikel lernt, als da wären spannende Themen, die den Menschen auf den Nägeln brennen, korrekte Daten, kein Verdrehen, Auslassen, Verfälschen von Fakten, Trennung von Nachricht und Meinung.

Autor Tobias Kniebe beweist mit seinem Beitrag, was die SZ von einer seriösen Berichterstattung à la Thilo Sarrazin trennt, und warum das Blatt auf dem Altpapierhaufen der Geschichte vermodern wird.

ppq hat gesagt…

wenn mich das nicht alles so an die taktik der ddr erinnern würde, den feind zu verleumden, um ihn klein zu machen...

derherold hat gesagt…

"wenn mich das nicht alles so an die taktik der ddr erinnern würde"

Das ist eben falsch.
Es ist die Taktik (in) der alten BRD: der Entwurf von "Psychogrammen".

Die "Entlarvung" verläuft nicht anhand von Interessen und ihrer Ablehnung, sondern anhand von (sozial-)psychologischen Merkmalen.

Man kommt also nicht ins Lager, weil man der (sozialen) Gruppe der "Kulaken" angehört, sondern weil best. Merkmale (Bildung, Freizeitgestaltung, "reaktionäre Gesinnung", Einkommen) eigentl. eine Form von "Minderwertigkeit" darstellen.

ppq hat gesagt…

soweit ich das sehe, kommt man gar nicht ins lager, das wenigstens würde ich als fortschritt bezeichnen. man fliegt bei der bundesbank raus, ja. aber ein unterschied ist das schon.

was ich mit taktik der ddr meine, will ich noch mal konkreter beschreiben. erinnert sich noch wer an den honeckersatz von den leuten, denen wir keine träne nachweinen?

genau diese intention schürt der müll in der "sz": "wer das liest, ist dumm", hatte ich einen der ersten texte über sarrazin überschrieben. damals war das satirisch anspielend auf die tatsache gemeint, dass keiner der kritiker das buch gelesen hatte. jetzt haben sies gelesen - und weil sich gegen den inhalt soviel nicht sagen lässt, prügelt man nun eben auf die leser ein - eben genau nach dem motto: wer das liest, steltl sich außerhalb der gemeinde der wahren demokraten, der ist ein weltfremder stubenhocker, risikoscheu, geizig, konservativ etc.

zähl mal durch, wieviel positiv konnotierte adjektive der text in der sz mit sarrazin-lesern verbindet und wieviel negative er aufzählt. ich will nicht schon wieder von 1976 und wolf biermann anfangen, aber alles, was da steht, kannst du als positives abbild der negativkampagne damals lesen. das ziel ist, zu verleumden.

derherold hat gesagt…

Als Hallenser könnte man einen Blick auf die Forschung der Abt. für Sozial- und Organisationspsychologie des Instituts für Psychologie der hiesigen Uni werfen.


Gab es nicht 2009 ein Forschungsprojekt "Sind Rechte möglicherweise geisteskrank ?"

Nicht originell, sondern selbstverständlich ist - und das ist modern - daß die Experten für *Diversitymanagement* in der personellen Besetzung der eigenen Abteilung .. nun wie soll ich sagen ... eher weniger divers sind.

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

ab sofort noch mehr Psychogramme: http://www.spiegel.de/dienste/0,1518,738667,00.html

oder anders ausgedrückt: jounalistisches Junkfood

Schwarzmaler hat gesagt…

Diesen Irrsinn kann man ja nur hier im Kommentar gefiltert ertragen.