Meinen Enkels sage ich immer, ich bin die Stimme vom Abflex. Abflex, kenne Sie doch, oder? Das Muskelgerät, das Wunder wirkt. kennt jeder, ist jeder mal reingerutscht. Da müssen Sie mir jetzt keine Schoten erzählen, ich weiß doch, wie es ist. Daran ist überhaupt nichts Peinliches, kein Stück. Ich bin ja die Stimme von dem Allen Yang, der den echten Abflex groß gemacht hat, die deutsche Stimme, na logisch. Und was sage ich immer? Das ist mir nicht peinlich. Erstens ist es nicht irgendein Plunder, über den wir hier reden. Es geht um den echten Spartan Abflex, nicht um so eine Baumarktmaschine, mit der sie sich den Sixpack zermirscheln. Und zweitens, da bin ich ganz selbstbewusst, muss jeder sehen, wo er bleibt heutzutage. Wenn Sie mich fragen, ist so ein Job als Synchronsprecher so gesehen überhaupt nicht ehrenrührig, auch nicht für mich.
Sie reden ja mit jemandem, der durchaus ein bisschen Ahnung von der Materie hat. Ich hatte auch meine Zeiten, ich habe auch meine Erfolge erlebt. Damals bei der Defa, ich sage nur Pierre Richards, Luis de Funes, Egon Olsen! Paraderollen und schöne Filme auch für die Leute unter uns, die die zweite Reihe gesprochen haben. Es hat Spaß gemacht, es war professionell damals. Extrem gut gemachte Skripte, Sprachmelodie, Satzbau, Mundansicht, alles eins A. Das bekommt der Tobias Meister, der heute den Brad Pitt macht, meiner Meinung nach nicht mehr so gut serviert. Die machen doch viel Technik heute, Regler hin, Regler her. Wir waren reine Handwerker, Sprachmelodiesänger. Hast Du einen Schauspielerkollegen erstmal draufgehabt, dann lief das, dann hast Du den aural gespielt wie eine Marionette. Aural, Sie verstehen, ja? Ja, ist ja gut.
Es lag bestimmt nicht an der Ausbildung, dass es dann nicht mehr lief. Mein eigener Fehler. Ich wollte zurück ans Theater, Stadttheater, weg von diesem freien Schaffen ohne sozialen Schutz. Immer nach Berlin, immer um Aufträge buhlen. Das Sprechercorps war ja direkt aufgelöst, schneller als die Stasi, sage ich Ihnen. Was ging, war ein wenig Radio, Hörspiele, Deutsche Welle.
Mit dem Theater hat nicht geklappt, muss ich so sagen, war ein Irrweg. Eigentlich zum Glück, denn wenn Sie heute so rumschauen, Stadttheater, das ist nicht mehr, was es mal war. Kahlschlag komplett, Inszenierungen im Eilzugtempo. Und dann wundern sie sich, wenn nach drei Vorstellungen keiner mehr kommt. Ich trauere dem nicht nach, nicht mehr, das muss ich ehrlich sagen. Als das anfing mit dem Werbefernsehen, kam da auf einmal ein völlig neuer Markt! Die suchten für diesen Ex-Boxer mit dem Grill, George Foreman, wissen Sie noch? Für den suchten die eine Stimme, damit sie den direkt auf den Sender lassen konnten. Die nehmen, wenn Sie sich das genau anschauen, eigentlich die Mitschnitte aus den Staaten und drücken ihre eigenen Telefonnummern drumherum. Mit einem ordentlichen Sprecher fällt das fast nicht auf, wenn Sie nicht genau hingucken. Und das tut ja keiner.
Den Foreman habe ich gern gemacht. Ich fühlte mich dem nahe. Wir sind ja fast im selben Alter, wir haben irgendwie auch Ähnliches erlebt. Mal oben, mal unten, aber immer wieder aufgestanden. Meine Tochter ist jetzt 33, die sagt auch immer, Vati, Du bist nicht unterzukriegen. Ich denke dann immer: Kunststück, hat man denn eine Wahl?
Nach Foreman, den sie dann rausgenommen haben, als jeder Deutsche so einen Grill gekauft hatte, fing das an mit den Fitnesssachen. Man muss sich da erst reinfinden, weil es auch darauf ankommt, nicht nur seriös zu klingen, sondern auch dynamisch. Ich interpretiere meine Figur jedenfalls so. Eine Mischung aus Tom Cruise und Otto Melies, wenn Sie den noch kennen. Dieses Sonore in den Bässen, das bringt das Zutrauen, das verkauft doch eigentlich die Ware.
Mit der Arbeit bei der Defa damals ist das natürlich kaum zu vergleichen. Die Bücher sind meistens lausig, da stimmt es lippentechnisch hinten und vorn nicht. Das ist einfach übersetzt, denke ich manchmal, aber nicht auf Stimme, sondern auf Verständis. Da machen Sie dann mal was Brauchbares draus! Klappt nicht, sieht oft jammervoll aus, müssen Sie mir nicht sagen, das sehen wir doch selbst.
In dem Metier macht das aber kaum was. Die Leute bügeln sowieso nebenbei, oder sie saugen oder putzen die Fenster oder telefonieren oder was. Bei uns reicht ein Cut für die Aufnahme, man redet teilweise eine halbe Stunde am Stück durch. Immer wieder diese Dialoge "ja, ist denn der Abflex wirklich so wirksam?" und darauf "schau hier, so wirksam ist der Abflex". Das überzeugt die Menschen dann, wenn die Bässe stimmen.
Ich weiß es nicht, ich habe es noch nicht probiert, ich könnte es vielleicht auch nicht mehr, weil ich das zu oft gesagt habe. Wir machen ja immer neue Folgen, immer neue und immer ist der Dialog drin zwischen mir und diesem bauchfreien Mädchen, das eigentlich eine Dame ist, die früher Mal Lehrerin war, Staatsbürgerkunde und Physik. Mach was, es muss ja weitergehen. "Ja, ist denn der Abflex wirklich so wirksam?" und ich darauf "schau hier, so wirksam ist der Abflex".
Meine Enkel gucken das wirklich mit großer Begeisterung, die sind wahrscheinlich einzigen, die das ganz bewusst wahrnehmen. "Opa, Opa, da kommt Opa", rufen die die dann, wenn sie die Stimme erkennen. Meine als Allen Yang, also ich. Bei Foreman waren sie damals noch zu klein, aber jetzt sind sie stolz, dass ihr Großvater so ein kleines bisschen berühmt ist. Der Tobias Meister, der den Brad Pitt macht, der hat ja noch keine Enkel, soweit ich weiß. Aber eine Abflex soll er haben, erzählten sie neulich im Studio. Bestimmt ein Witz. Aber gelacht hab ich auch.
Weitere Folgen der PPQ-O-Ton-Reihe Doku Deutschland:
Ein Land aus Pfand
Sorgen auf der Sonnenbank
Rock an der Rütlischule
Schwimmen mit Sirenen
Hausbuchführer im Widerstand
Ich dagegen bin dafür
Der Marcellator der Herzen
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8 Kommentare:
Ich verstehe nicht, wieso dieser feine Text bisher unkommentiert ist, was sich hiermit auch gleich erledigt hat.
es ist das schicksal der bauchstimmen, nicht gehört zu werden
Kennick. Ich spiele ja auch oft bei Dirty Harry mit, aber niemand nimmt Notiz davon.
ich könnte dich ja auch mal zu deinen erfahrungen befragen.
Ist lange her. War in meiner Jugend. Später bin ich dann zu Stirb langsam gewechselt.
Außerdem habe ich eine Menge schon wieder vergessen. Ist kaum erwähnenswert, was man als Komparse (meistens letzte Reihe mittig) so erlebt.
Früher gab es in der SZ auch solche feinen Texte. Kaum zu glauben, war aber so. Srachliche Qualität, ein Genuß.
Vorbei.
So was liest man heute nur noch bei PPQ und seinesgleichen. Und von der SZ gibt´s vor Neid nur noch Geifer.
@volker: danke!
@DA: das nicht erwähnenswerte hat hier seine urheimat, übrigens
@ppq
Das frustrierende Leben eines Komparsen ist nun online.
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