Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Meldung, dass die Zahl der Demokratien weltweit "erneut" (Die Welt) gesunken ist und der Tatsache, dass der jüngst zum "Spiegel"-Blogger aufgestiegene "Freitag"-Verleger Jakob Augstein seinen epochalen Hass-Text "Die FAZ, Sarrazin und Lügen zu Weihnachten" nach zwei Wochen strengen Schweigens unter dem Titel "Im Land der Niedertracht" neu aufgelegt hat. Diesmal ist nicht ein Teil der Deutschen besser als der andere, der es gewagt hat, trotz allegegenwärtiger Warnungen nicht nur vom Erben des "Spiegel"-Gründers ein Buch zu kaufen, das weder Kanzlerin noch Süddeutscher Zeitung, nicht dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime noch dem früheren Fernsehmoderator Paolo Pinkel gefallen hat. Nein, diesmal sind es die Franzosen, die als Maßstab für gesunde Moral herhalten müssen. Denn während die Deutschen, kein bisschen klug geworden aus ihrer Geschichte, eben jenes Loblied auf Niedertracht, Hass und Neid an die Spitze der Charts kauften, wühlt nach Erkenntnissen von Augstein jun. "in Frankreich ein Buch die Nation auf", das "zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und Menschenfeindlichkeit" aufrufe.
Hier die guten Franzosen, eben noch mit Straßenschlachten in ihren Vorstädten beschäftigt, die Bücher kaufen, die Jakob Augstein gefallen und die deshalb als Demokraten gelten dürfen. Dort aber die Deutschen, die wiedermal "ein Buch der Niedertracht zum Bestseller" (alle Zitate Augstein) machen, als hätten sie aus Hitler nichts gelernt. "Das ist beschämend", analysiert Augstein, der den französischen Bestsellerautor Stephane Hessel als "Diplomat und Dichter" vorstellt, der das KZ überlebt habe und nun zum "Kampf für eine Gesellschaft" aufrufe, "auf die wir stolz sein können".
Zu der gehört nach Ansicht des von Augstein so gelobten Autoren allerdings vor allem Meinungsfreiheit. "Auch wenn gewisse Meinungen und Ideen die Leute schockieren, wie das bei der Religion manchmal der Fall ist, sollte es dennoch normal sein, dass man seine Gedanken deutlich äußern darf", ließ der Uno-Veteran letztes Jahr erst wissen. Deshalb solle die Redefreiheit nicht einschränkt werden, "für jeden Ausdruck der freien Rede sollte es möglich sein, eine entgegengesetzte Ansicht zu äußern". Der "Dialog zwischen Meinungen, die manchmal brutal sein können," sollte dabei "aber auf gegenseitigem Respekt beruhen".
Ein Respekt für andere Ansichten, zu dem sich Jakob Augstein nicht aufraffen kann. Er erkennt im Erfolg von Sarrazins Buch das Deutlichwerden eines "tiefsitzenden Rassismus, der sich nach oben arbeitet, der durchbricht, der sich was traut". Man könne ja offenbar wieder sagen "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert", obwohl das doch eigentlich verboten sein müsse, wenn es denn endlich mal nach ihm ginge. Jakob Augstein ist empört über die "deutsche Empörung", die "etwas Böses hat". Und was ihn selbst betrifft, liegt er damit sicher nicht falsch.
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10 Kommentare:
Auf der Karte der Demokratien "Freiheit in der Welt" sind noch weiße Flecken zu sehen. Diese sollten von den Demokratien umgehend durch Friedenseinsätze überfallartig beseitigt werden.
Die Kriterien sind wirklich interessant:
"Auch Frankreich fällt vor allem wegen der Behandlung von Flüchtlingen und Sinti und Roma zurück."
Dafür können sich die Autochthonen freier bewegen, ohne Taschendiebstähle usw. befürchten zu müssen, also: Zugewinn an Freiheit.
Hier ein guter Aufsatz, was "Freiheit" überhaupt sein könnte und wie sie in Erscheinung tritt:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1349395/
also hauptsache ist doch, dass sie die richtigen bücher kaufen. frankreich hat doch auch, soweit ich mich erinnere, sinti und roma nach romanien zurückgeschickt, oder? immerhin gibts dann nun weniger leute, die schlecht behandelt werden können, obwohl gute bücher im handel sind
Mir deucht, die Qualitätsredaktionen haben ihren Personalbestand mit einer üppigen Anzahl an Haßpredigern aufgestockt, um für oder in den zukünftigen Schreibschlachten gerüstet zu sein. Es ist egal, welches Markenqualitätsblatt ich aufschlage, überall haßt mir der gleiche Schreibstil und Inhalt entgegen.
Oder hat dieser Eindruck eher damit zu tun, daß ich eh nur in den Mülleimern dieser Magazine rumwühle und dort nunmal nur Abfall zu finden ist, der gelegentlich wiederverwertet werden muß?
Jakob Augstein ist empört über die "deutsche Empörung", die "etwas Böses hat". Und was ihn selbst betrifft, liegt er damit sicher nicht falsch.
Genialer Schlußsatz! Hätte ich gern gehabt, wenn der mir eingefallen wäre .... :-(
Trotzdem: Gratulation! :-D
danke, das ist, was einem so in den kopf kommt, wenn man ihn fassungslos schüttelt
Wer hat's gesagt?
"Die Lüge ist das Wesen der Demagogie."
kauft nicht bei der gez
@VRIL
Die Sendung war ein unverbindliches Werbeangebot - ich habe sie bei jemandem gehört, der bei der GEZ Kunde ist. War zwar ganz nett, hat mich trotzdem nicht überzeugt, zukünftig bei der GEZ Meinungen einzukaufen.
Kauft nicht bei GEZ
ist grundsätzlich zutreffend.
Aber man muss ja nicht in Anti-GEZ-Orthodxie verfallen.
Manchmal gibt es (kaum zu glauben) auch dort Gescheites:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1128176/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/918947/
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/598852/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/749836/
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1115937/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/797390/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/signale/641581/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/630976/
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/579861/
Sorry, das wichtigste vergessen:
Der größte Unterschied zwischen damals und heute dürfte darin bestehen, dass die Presse seinerzeit nur im Wege der Einschüchterung davon abgebracht werden konnte, der Wahrheit nachzuspüren, während sie sich heute mit Abgeschriebenem zufrieden gibt und sich couragiert vorkommt, wenn sie nachspricht, was ihr die Regierung vorgesprochen hat.
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