Wenn die Leselampe dem begeisterten Schmökerer neugierig über die Schulter schielt, ist das das eine, wenn aber ein Computer Briefe auf Stichworte scannt, um dazu passende Werbebanner einzublenden, etwas ganz anderes. Die EU jedenfalls ist alarmiert: Parlamentarier sind in großer Sorge, dass neuzeitliche Online-Werbung die Privatsphäre der Menschen ganz schlimm verletzt. Während Werbeanzeigen in Hochglanzmagazinen, wie sie auf der Lufthansa-Route Berlin-Brüssel verteilt werden, nur auf Verdacht für teure Armbanduhren werben, an denen die mitfliegenden EU-Abgeordneten gar kein Interesse haben, ist auf vermutete Interessen zugeschnittene Werbung im Internet eine Gefahr für die Menschheit, legte der EU-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz fest.
Online-Anbieter, die die E-Mails ihrer Nutzer von einer tumben Software scannen lassen, werden von den EU-Experten bezichtigt "mitzulesen". Ziel sei es, "am Verhalten orientierte Werbung präsentieren zu können", bei der es sich um nichts weniger als einen "Angriff auf die Privatsphäre" handele. Verboten werden muss nach Ansicht der Ausschussmitglieder aber nicht nur diese Unsitte, sondern auch der Brauch, bei dem sich Nutzer von Internet-Foren über Produkte, Politiker oder Servicedienste äußern. Durch solche Meinungsäußerungen könnten Verbraucher irregeführt und der Ruf von Unternehmens und angesehenden Persönlichkeiten ramponiert werden. Um das zu verhindern, will die EU-Kommission in den nächsten Jahren mehrere Millionen neue Stellen für Foren-Beobachter oder -Moderatoren schaffen, die das sogenannte Mitmach-Netz engmaschig im Auge behalten. Vorbild wird das Blogampelamt im mecklenburgischen Warin sein, das bereits klare Regeln aufgestellt hat, welche Daten von Nutzern gesammelt werden dürfen. Dazu ist jeder Internetnutzer seit Anfang Oktober verpflichtet, bei der Behörde ein komplettes Bewegungsmuster zu hinterlegen, das alle persönlichen Angaben enthält. Je nach Freigabestatus durch die Prüfer kann der Verbraucher dann genehmigen, welche Daten er davon allgemein weiterreichen darf.
EU-weit soll ab kommendem Jahr in Kampagnen über die neuen menschenverachtenden Werbeformen aufgeklärt werden. Der führende Internetexperte der CDU-Fraktion im Bundestag und Vorsitzende der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" Axel E. Fischer regt unterdessen an, dass Internetnutzer, die an Diskussionen teilnehmen, künftig eindeutig identifizierbar sein sollen. Ausgedachte Nicknames für Diskussionen im Internet sollten über ein amtliches "Vermummungsverbot im Internet" verboten werden. Beiträge, die jemand schreibt, müssten "eindeutig einer realen Person zuzuordnen sein", denn es könne nicht sein, dass sich Bürger hinter selbstgewählten Pseudonymen versteckten. Den neuen elektronischen Personalausweis sieht Fischer dabei als große Chance, das selbstausgedachte Vermummungsverbot durchzusetzen. Der E-Perso biete optionale Möglichkeit zur durchgehenden Identifizierung im Internet. Ergänzend dazu wird das EU-Parlament eine Kennzeichnung von Internetangeboten anschieben, die sich an der Blogampel (derzeit geltende DIN-gemäße Bildmarke oben) orientiert, wie sie in Deutschland bereits Pflicht ist.
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