Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner und ihre ehemals liberale Kabinettskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger diskutieren noch, wie sich eine staatliche "Löschtaste" am besten im Internet installieren ließe, das Online-Magazin "Spiegel" aber geht schon mit großen Schritten voran. Nach einer von PPQ angestrengten Beschwerde vor dem Deutschen Presserat hat der Online-Arm des ehemaligen Nachrichtenmagazins seine Seiten begradigt und bereinigt: Ein Video der US-Army, das "Spiegel Online" von der Plattform Wikileaks übernommen und in stundenlanger Kleinarbeit mit dem Quellenvermerk "Video: Spiegel Online" versehen hatte, fand sich bei einem Kontrollgang des Presserates im Rahmen des "Vorverfahrens gemäß § 5 der Beschwerdeordnung" (Presserat) auf den Seiten des stets um wahrhaftigen Journalismus bemühten Meinungsführermagazins plötzlich mit dem Quellenvermerk "Video: Wikileaks" versehen, teilte der Presserat jetzt in einem Schreiben an PPQ mit.
"Danach kam der Deutsche Presserat zu der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den Pressekodex nicht vorliegt", lässt Edda Kremer vom Beschwerdeausschuss des Gremiums wissen, das in Deutschland über sauberen Journalismus ohne die Verwendung gestohlener Fimmaterialien wacht. Zwar sei das veröffentlichte Video auf der "Internetplattform www.politplatschquatsch.com mit SPIEGEL-Online als Quelle wiedergegeben", heißt es, "beim Original SPIEGEL-Artikel auf www.spiegel.de verhält es sich jedoch anders. Hier steht unter dem Video korrekt Wikileaks als Quelle", schreibt die Referentin nach einer Rundtour mit der Maus, die sie offenbar zu einem von PPQ gefertigten Screenshot der Original-Spiegel-Seite und zur Spiegelseite führte.
Auf eben jener Spiegelseite ist das Video bis heute selbstbewusst als Eigenanfertigung der Hamburger Spiegel-Redaktion ausgewiesen (oben: aktueller Screenshot), wie sich mit einem Klick auf "Video abspielen" feststellen lässt. Der Presserat hat sich den mühevollen Klick ins Video gespart und einfach nur unter dem Eröffnungsbild gelesen "Foto: Wikileaks". Wonach er selbstsicher urteilte: "Die Redaktion hat unseres Erachtens damit die Kriterien der journalistischen Sorgfaltspflicht voll erfüllt", heißt es bei den Wächtern über die journalistische Tugend.
Allerdings hatte der verantwortliche Redakteurs bei "Spiegel Online" seinerzeit auf Nachfrage sogar offensiv verteidigte , dass Spiegel Online sich selbst als Autor des vielgeklickten Videos ausweits. Durch die "redaktionelle Einordnung" durch einen Spiegel-Online-Redakteur, den Text, "den er über die Bilder von Wikileaks gesprochen hat" und das Herausschneiden der "brutalsten Szenen" sei "der Credit Spiegel Online gerechtfertigt und nötig", hieß es.
Versäumt worden sei nur, gab der Spiegel-Mann zu, "Wikileaks im Text ausdrücklich zu nennen, die Rede ist nur allgemein von einer "Internetplattform". Diesen Fehler konnte der "Spiegel" dank des dynamischen Charakters des Mediums inzwischen begradigen. Als der gestrenge Blick von Deutschlands obersten journalistischen Tugendwächtern im Prüfverfahren auf die Seite fiel, war alles anders: "Im Beitrag wird von der Redaktion zudem deutlich gesagt, dass das Video von Wikileaks veröffentlicht wurde", lobt der Deutsche Presserat, der von PPQ inzwischen gebeten wurde zu entscheiden, ob flüchtige Fehler, die nach der Sendung im Archiv korrigiert werden, generell keine Rüge rechtfertigen. Dann wären auch Tageszeitungen, Wochenmagazine und Fernsehsender künftig fein raus und der Deutsche Presserat hätte nur noch einen Beschluss zu fassen: den über seine Selbstauflösung.
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