Beinahe wäre dieses schlimme Jubiläum untergegangen im Strom der unablässig sprudelnden Enthüllungen im Fall des braunen Feger-Führers Lutz Battke. Doch Netzwerkrecherche hat aufgepasst und verhindert, dass einer der grausamsten Übergriffe der letzten 20 Jahre dem Vergessen anheim fällt. Heute schon erinnern sich nur die Ältesten an jenen schrecklichen Julitag anno 2009, als die Aktiven der Vereine Miteinander, Gegenpart und "Mut gegen rechte Gewalt"wie ein Mann einen "lebensgefährlichen Brandanschlag auf Flüchtling in Möhlau" meldeten.
Mittweida war nach Möhlau gekommen. Mitten in der Nacht hatten Nazis Azad Murad Hadji, einen aus dem Irak geflüchteten Familienvater, heimtückisch angegriffen und bei lebendigem Leib angezündet, als er seinen Morgenspaziergang um das Gelände des Lagers in Möhlau machte. Nach wenigen Tagen im Krankenhaus starb das Nazi-Opfer. Angst ging um im Lager, die dort zum Teil seit Jahrzehnten auf ihre Ausweisung wartetenden Asylbewerber fühlten sich bedroht und traumatisiert. "Die panische Stimmung", berichtete Miteinander, "belastet ihr Leben Tag für Tag."
Die Polizei, geleitet von Holger Hövelmann, schon in seinen Tagen bei der NVA ein bekannter Kämpfer gegen rechts, setzte alle Hebel in Bewegung, den rechtsradikalen Mord aufzuklären. Wenige Wochen später war schon klar: Azad Hadji, der seine sieben schrecklichen Jahre im Asylbewerberheim genutzt hatte, eine kleine Familie zu gründen und zwei Töchter zu bekommen, stammte nicht aus dem Irak, sondern aus Georgien, und er sprach nicht einmal Arabisch, was aber im strengen Asylprüfverfahren sieben Jahre lang gar nicht aufgefallen war. Im Gegensatz zur Tatsache, dass DNA-Spuren des Nazi-Opfers sich in den qualmenden Ruinen einer Dönerbude fanden, die unmittelbar vor seiner schwerverletzten Rückkehr vom Spaziergang um das Möhlauer Heim im nahegelegenen Roßlau in die Luft gejagt worden war.
Nach Auskunft seiner Witwe, die Deutsch, aber kein Wort Arabisch spricht, hatte Hadji den syrischen Eigentümer des Schnellimbiß gekannt. "Ein fremdenfeindliches Motiv nicht ausgeschlossen werden", machte sich der Verein „Mut gegen rechte Gewalt“ dennoch weiter Hoffnung auf ein Happy End. Die Ermittler gingen derweil davon aus, dass der 28-jährige Familienvater die Verbrennungen erlitt, als er die Dönerbude seines Bekannten Hassan Mussah anzündete. Der müsse als nächstes vernommen werden, sei aber im Augenblick "im Urlaub", hieß es im August 2009.
Dort ist der Geschädigte ein Jahr später immer noch. "Seit einem Jahr", klagt Netzwerkrecherche, "keine Pressemeldung mehr über die gefaßten Nazis, keine Schlagzeile über den grausamen Mord". Keine Nachricht, wann die Reise des Dönerstand-Syrers Hassan Mussah enden wird. Selbst die Taz, nach der fremdenfeindlichen Tat sofort zu einer intensiven Spurensuche vor Ort aufgebrochen, hat das Interesse völlig verloren.
So sind die traumatisierten Flüchtlinge weiter in Angst und Schrecken, wann die Menschenanzünder zurückkehren. "So schlimm wie im Landkreis ist es nirgends", klagt Ali Abdal an. Der 35-jährige Syrer, der zwei Herzinfarkte hinter sich hat, lebt nach eigenen Angaben mit Frau und vier Kindern in einem 16-Quadratmeter-Raum, heißt es auf der Internetseite der Flüchtlingsinitative Möhlau. Hier würde seine Familie "nicht wie Menschen behandelt, sondern wie Tiere." Das Psychosoziale Zentrum für MigrantInnen in Sachsen-Anhalt zeichnet ein erschütterndes Bild warnt vor einem "Zusammenleben extrem unterschiedlicher Kulturen" im Heim, Kakerlaken und Dreck, die zur Überreizung der Stresstoleranz, Ekel und Konflikte durch unterschiedliche Wertvorstellungen führen, sowie vor dem "Fehlen von sicheren Spiel- und Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche", weil die "vorhandene Spielfläche von Erwachsenen als Aufenthaltsplatz genutzt" werde.
Von der erschütternden Realität im Lager überzeugten sich zuletzt "im Zuge einer Veranstaltungsreise besuchten Ousmane Diarra und Alessane Dicko von der „Malischen Vereinigung der Abgeschobenen“(AME) gemeinsam mit Medico und dem antirassistischen Netzwerk NoLager Möhlau" das "Lager der Vergessenen", das seine Insassen selbst "Dschungelcamp" nennen. Mit Erfolg: Über den Fall Azad Hadji wurde zwar nicht gespochen. Aber "ein afrikanischer Flüchtling erzählt, wie er von einer Gruppe rassistischer Jugendlicher im nahen Dorf mit einem Messer angegriffen wurde; noch heute ist seine Wut zu spüren, als er berichtet, dass der Angriff keinerlei Reaktionen der Behörden zur Folge hatte".
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5 Kommentare:
Es ist eine Schande, daß dieser Brandanschlag so in Vergessenheit geraten ist.
menschenverachtend ist das!
Konnte Assad Hadji, bevor er starb, noch eine Täterbeschreibung liefern? Ich bin sicher, der Täter hatte ein auffälliges grünes Schlangentattoo am Hals. Und Glatze, natürlich.
@ Friederich.
Stiernacken. Der Stiernacken ist ganz wichtig. Geradezu obligatorisch, wenn es um "Rechte" geht. Ohne Stiernacken geht gar nix.
bin gerade über den Artikel gestolpert ..
finde es sehr gut wenn der braune Alltag in LSA genauer beleuchtet wird . Das verschiedene Verbände und NGOs sich nicht weiter zu dem Todesfall geäußert haben , hat auch Ursachen . Da Mensch leider in LSA bei Fremdeinwirkung beim Tode eines Flüchtlings immer damit rechnen muß das dieser aus rassistichen Gründen erfolgte.Oft wird auch versucht Rechte gewalt zu verharmlosen oder als Unfall darzustellen . Doch es gibt auch Fälle in dem es sich um tragiche Brand Unfälle handelt . Dies ist so ein Fall .
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