Der Geruch war überall. Kevin Schnitte spürte ihn nachts, wenn er in seinem kärglichen Zimmerchen zu schlafen versuchte. Er spürte ihn tagsüber, wenn sich der Weg endlose Kilometer lang durch die Berge schlängelte. "Und vom ersten Moment an", erinnert er sich, "fand ich diesen Duft unwiderstehlich." Schnitte weiß, wovon er spricht, schließlich hatte der großgewachsene junge Mann, der heute als einer der innovativsten Unternehmer des Ostens gilt, nach dem absolvierten Abi eine Lehre zum Seifensieder beim DDR-Kombinat Körperkosmetik Patina gemacht. "Damals haben wir natürlich auch gelernt, unsere Nase zu benutzen", erklärt der gebürtige Merseburger, den das Fernweh schon kurz nach dem Mauerfall nach Asien gelockt hatte.
Dort erlebte er auch seine erste Hochgebirgswanderung, und dort wendete sich sein Schicksal. Aus dem Weltenbummler, der eher ziellos von Land zu Land reiste, als wolle er sich überzeugen, dass es all diese Erdteile, Städte und fremden Sprachen wirklich gibt, wurde der Herr eines Duftimperiums, das im Begriff steht, die Welt der Gerüche zu revolutionieren: Heute bereits stehen die unverwechselbaren Flakons aus dem Hause Schnitte in den großen Parfumerien am Times Square, auf dem Kudamm und in der Dubaier Shopping-Meile direkt neben den Klassikern von Calvin Klein, Alessandro Dell’Acqua, Joop und Junya Watanabe.
Das Erfolgsgeheimnis von Schnittes Firma Ever Estate ist das Hochgebirgs-Parfüm "Hi Malaya", das der damals 32-Jährige während seiner ausgedehnten Wanderungen durch Tibet und Nepal erdachte. Das genaue Rezept ist so geheim, dass Schnitte das handschriftliche Original aus versicherungstechnischen Gründen in einem Safe der Großbank Goldman Sachs in New York hinterlegen musste. Bekannt ist allerdings, dass Himalaya-Katzenminze, Nadeln der Himalaya-Zeder, Pheromone von männlichen Yaks und Küchenschmand aus einer Sherpa-Großküche einen Teil des einzigartigen Aromas bilden.
"Mein Glück war damals", sagt Schnitte, "dass ich Tenzins Tarasa traf". Nachdem er selbst nach dem Genuss einer verdorbenen Pizza einen geplanten Gipfelsturm auf den Cho Oju hatte absagen müssen, habe sich Tenzing rührend um ihn gekümmert. "Dabei verschlug uns unser gemeinsamer Weg eben auch in jene inzwischen so berühmte Großküche." Ein Glücksfall. Den unwiderstehlichen Geruch der Hochgebirgskräuter noch in der Nase, kombinierte Schnitte noch in der ersten Nacht verschiedene Ingredienzien zu dem, was später als "Hi Malaya" zum Kult-Parfum des neuen Jahrtausends werden sollte.
"Natürlich hat die gemeinsam mit Tenzing Tarasa erdachte besondere Verpackung einen großen Anteil am weltweiten Erfolg" gesteht er freimütig. Ever Estate füllt "Hi Malaya" generell in naturgebrochene, ungeschliffene Flakons aus Hochgebirgsfels (Bild links), es gibt keine Schraubverschlüsse, sondern nur einen bündig schließenden Steckpfropf, den Sherpahandwerker vor Ort in der Hochgebirgsmetropole Lukla diekt aus den Felswänden schlagen. In der Exklusiv-Linie "Hi Malaya High Time" werden die Flakons nach dem Ausbrechen aus dem Gebirgsmassiv in einem südlich gelegenen Tal abgelegt, um sie hier naturbemoosen zu lassen. Käufer dieser alljährlich nur einer Auflage von 3467 Stück angebotenen Linie sind bereit, bis zu 12.000 Dollar für 25 Milligramm Parfüm zu zahlen.
Doch auch das normale, generell ohne jede Aufschrift vertriebene "Hi-Malaya" (zu deutsch so viel wie "Kid-Spirit") ist im Vergleich zu anderen Produkten konkurrenzlos teuer. Kevin Schnitte jedoch lächelt solche Vorwürfe weg: "Unsere Kunden wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben", sagt der Merseburger.
Obgleich Ever Estate weder für die Nebenwirkungen des betörenden Duftes wirbt noch sich für sie verbürgt, hat sich doch vom Verkaufsstart im Weihnachtsgeschäft 2007 an rasend schnell herumgesprochen, dass es dem Newcomerunternehmen erstmals gelungen ist, ein olfaktorisch wirkendes Potenzmittel anzubieten. Darauf spielt auch der Werbespot mit der verführerischen jungen Frau an, die leise in die Kamera haucht "Smells like Hi - Malaya".
Der Riechstoff, der diese bei weiblichen und männlichen Nutzern nachweisbare Wirkung entfaltet, sei dazu aus einem polaren und einem unpolaren Teil zusammengesetzt worden, lüftet Schnitte ein wenig den Vorhang vor dem großen Geheimnis, das ihn zum mehrfachen Millionär gemacht hat. Das sei auch der Grund, warum "Hi Malaya" auf jeden Menschen betörend wirke, aber für jeden Menschen anders rieche: "Da unsere Geruchsrezeptoren chiral sind, rufen Enantiomere eines Riechsstoffes einen unterschiedlichen Geruch hervor".
Das überzeugt Damen und Herren weltweit, bis in die höchsten Kreise. Gerade hat Schnitte eine Lieferung für eine deutsche Parfümeriekette fertiggemacht, die damit in ihrem Premiumshops punkten will. Ums Geld geht es dem Merseburger nicht. "Ich hoffe vielmehr", sagt der mehrfache Multimillionär bescheiden, "dass wir mit "Hi Malaya" etwas gegen die grassierende Geburtenunlust in Deutschland tun können."
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