Was waren das noch Zeiten, als das ehemalige Nachrichtenmagazin "Spiegel" Fußball-Deutschland mit einem Federstrich trennte. Hier der gewaltbereite und nur fadenscheinig demokratisierten Osten, versackt in einer Blutorgie auf allen Rängen, sich tretende Fans von Traditionsmannschaften, bei denen das Ballspiel selbst längst zur Nebensache geworden ist. Und dort die strahlenden Arenen des blühenden Bundesliga-Westens, auf der mit viel Liebe gemalten Gruselkarte der ostdeutschen Fußball-Grausamkeiten ein rasengrüner, gewaltfreier Fleck.
Zwei Jahre ging das gut. Krawalle in Köln und Schlägereien in Würzburg, Straßenschlachten in Gelsenkirchen und Überfälle in Bremen wurden mit zugekniffenen Augen ausgeblendet. Der Fußball hatte kein Problem, sondern der Osten hatte eins, verursacht durch soialistischen Gruppentopfen, eine unterentwickelte Zivilgesellschaft und hohe Arbeitslosigkeit. Die Fans waren das Probelm ihrer jeweiligen Vereine, und wer behauptete, dann seien die gewalttätigen Fans der Nationalmannschaft ja auf jeden Fall das Problem von DFB-Chef Theo Zwanziger bekam eine Abmahnung von einer international renommierten Rechtsanwaltskanzlei.
Vorbei, vergeben, vergessen. Denn nun plötzlich ist das Problem, das schon immer da war, auch medienöffentlich. Das Sportkrawallfachmagazin "Der Spiegel" weiß es sofort wieder ganz genau: Statt die Gruselkarte der ostdeutschen Fußballgewalt noch einmal zu veröffentlichen entdecken die amtierenden Fußball-Praktikanten plötzlich "Frenetische Fanatiker" in allen relevanten europäischen Ligen.
Gut, da waren die auch schon vor zwei Jahren, zündeten Tribünenfeuerwerk, prügelten sich untereinander und mit der Polizei, ohne jemals getopft worden zu sein. Doch sowenig es opportun war, während der Fußball-WM in Deutschland über die alltäglichen Straßenkämpfe zwischen Fans in den WM-Städten zu berichten, so wenig war es notwendig, das Phänomen als weitverbreitetes zu beleuchten, das sich doch so schön als eine bizarre Seltsamkeit ostdeutschen Lebenswandels erklären ließ.
Jetzt erst weitet sich der Blick, aufgeschreckt von Zwanzigers Affären schauen die Praktikanten Richtung Türkei, nach Italien und Frankreich, sie sehen krawallisierende Horden in Berlin und Nürnberg und den Gesetzgeber in der Pflicht, dem Treiben Einhalt zu gebieten, das seit Jahren Normalität ist. Die Karte der Fußball-Grausamkeiten ist nicht neuerdings ein Weltatlas. Sie war schon immer einer.
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3 Kommentare:
Wenn ich daran denke, was sich in den ausgehenden 70igern/frühen 80igern so auf den Rängen und daneben abgespielt hat ... :-)
Das ist halt die Ungnade der späten Geburt, daß die ostdt. Fußballfans ein paar Jahre zu spät kommen, um ebenfalls nicht beachtet zu werden.
Die "Pyramide der Erregung" verläuft so:
1. Ostdeutsche
2. Westdt. aus pösen Landkreisen (idR BY)
3. Westdt. Unterschicht
4. "Die Mitte der Gesellschaft"
5. Einwanderer
"Ostdeutscher Fußballfan" (unbelehrbar !) ist ikonographisch so etwas wie "faschistischer Alt-Nazi mit Filzhut und Dackel bei Volksmusik, der "Neger" sagt".
... betreibt lieber Unihockey !
Christiane Töpfchen-Pfeiffer hat ihren verbalen Dünnschiss leider in der Vor-Internet-Zeit abgelassen, weshalb sich nur Quellen aus zweiter Hand finden.
Nun müsste eigentlich (da immer weniger kollektivgetopfte Kinder) der Rechtsradikalismus verschwunden sein. Tatsächlich aber (wir freuen uns alljährlich auf die Schreckensmeldungen des Verfassungsschutzes mit den obligatorisch zweistelligen Zuwachsraten) rollt sie immer schneller übers Land – die Welle der Rechten Gewalt ™.
Andererseits sehen wir die internationale Gültigkeit der Töpfchentheorie. Nicht nur in der Frontstadt Berlin , auch im Südland feiert man die Erfolge der Kollektivtopfpädagogik.
das ist wie bei der pechsteinen, das steckt den ossis in den genen.
eventuell ist es aber auch was anderes, ich beleuchte das gleich mal
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