Freitag, 5. März 2010

Der Betrug des Jahrhunderts

Es war die Chance des Jahrhunderts, die einmalige Gelegenheit, eine Art Dachbodenfund zu Mondpreisen zu verkaufen und damit auf Kosten anderer richtig viel Geld zu machen. Hans Eichel, ein sozial denkender Sozialdemokrat, und sein Chef Gerhard Schröder, ein mächtig denkender Machtpolitiker, zögerten nicht lange. Sie ergriffen die Chance beim Schopf und handelten: Vor zehn Jahren beschlossen die beiden ausgewiesenen Freunde der schwachen und Armen, dem Volk einen Teil dessen zurückzugeben, was dem Volke gehört. In einer sogenannten "dritten Tranche" wurden denen, denen das vom Bund verwaltete Unternehmen sowieso gehörte, 6,6 Prozent der Anteile an der Deutschen Telekom zum Kauf angeboten.


Ein geniales Geschäft, auch wenn der Börsenchart der Firma (oben) heute verblüffend denen von Pennystocks wie Mobile Media, Brinx Resources oder Tier Spezi (Chart links) ähnelt. Dem von Aktien also, die auf dem Höhepunkt der Börsengier von windigen Gurus wie Dr. Temporio, Sascha Opel und Berndt "Dausend Prozent" Förtsch empfohlen wurden und heute nur noch einen Bruchteil ihrer früheren Kurswerte haben. Wenn sie nicht, wie das Pfennig-Imperium Tier Spezi, ganz die Segel strichen.

Bei denen ging es um Millionen, bei der Deutschen Telekom aber um Milliarden. Zu 66,50 Euro pro Stück konnten Kleinanleger dem Finanzminister mit dem großen Herzen für die kleinen Leute Aktien abkaufen - eine Einladung zum Gelddrucken, so versprach die regierungsamtliche Propaganda, in für die deutsche Fernsehlieblinge auf allen Kanälen trommelten wie weiland Rühmann, George und Co. für den Endsieg. Für 700 Millionen Anteilsscheine fanden sich Interessenten, 200 Millionen Aktien gingen schließlich über den Ladentisch. Hans Eichel, bis heute ein begeisterter Kämpfer für sozialen Zusammenhalt und alte sozialdemokratischer Traditionen, nahm von 1,5 Millionen Käufern 15,3 Milliarden Euro ein.

Zehn Jahre danach ist das Ausmaß des Debakels öffentlich kein Thema mehr. Die Anlagebetrüger von einst tönen von "Anlegerschutz" und führen einen verbalen Kampf gegen "Zocker" und "Spekulanten", während eines der größten Anlageverbrechen aller Zeiten allmählich veralzheimert. Niemals wieder notierte die T-Aktie bei den 65,35 Euro, die sie am Nachmittag des Tages der Übergabe der Telekom-Aktien an die neuen Privatanleger erreichte. Nur ein halbes Jahr später waren die zumeist investierten 1666 Euro nur noch 800 wert, schon zum einjährigen Jubiläum des Emission war das Anlagevermögen von 1,5 Millionen Sparern aus nur noch 550 Euro gesunken.

Von da an ging es aber richtig bergab. Zum zweiten Jahrestag der dritten Trance erreichte die Telekomaktie 9,60, von den 1666 Euro waren nun rund 1400 verschwunden: 84 Prozent Verlust, das schaffen keine Griechenland-Anleihe und keine venezuelanische Silbermine, das schafft ungestraft auch kein fragwürdiger Börsenguru. Immerhin: mit ein wenig hoch und runter, hin und her und auf und ab hält sich die Aktie, mit der der Staat seine eigenen Bürger betrog, seitdem stabil: Schlusskurs gestern 9,58 Euro.

Verurteilt worden ist wegen des genialen Coup bis heute niemand, ein ursprünglich für vergangenes Jahr angekündigtes Urteil in einem Prozess, in dem rund 17.000 Kleinanleger Schadensersatz für erlittene Kursverluste einklagen wollen, wurde kurz vor Weihnachten erneut verschoben.

15 Kommentare:

Pisaner hat gesagt…

Unsere demokratisch gewählten Politiker haben halt kostspielige Hobbys;sehr vielfältige,von der Islamisierung Deutschlands über moderne Kunst, olympische Goldmedaillen bis zur Beglückung Afghanistans .
Da ist es doch gut,dass sich Hans Eichel zusätzlich zu den Steuern auch um freiwillige Abgaben bemüht hat.
Er hat ja auch nicht nur Privatleute übertölpelt wie die schlaue Versteigerung der UMTS -Lizenzen gezeigt hat.

Übrigens konnte man selbst bei der 3. Tranche als Privatanleger vom Börsengang der Telekom profitieren.
Ich habe gleich am 1. Tag schnell verkauft. Wegen dem Vorzugspreis für Private und der anfänglichen Kurspflege (bis dann die Dämme brachen) waren das so rund 1% plus nach Spesen.

lupo cattivo hat gesagt…

Natürlich war das ein "elegante" Raubzug (des Staats) - aber letztlich landet alles Geld, das der Staat raubt beim Weltherrscher Rothschild -auch das sollte man beachten !

Betrug des Jahrhunderts unterdeiesem Aspekt sicher nicht , vergleichbere und höhere Summen werden und wurden jedem europäischen Bürger Jahr für jahr seit 1945 abgezogen

VolkerStramm hat gesagt…

Betrug würde ich so nicht sagen. Jedenfalls nicht beim Verkauf. Das weiß man doch, dass man an der Börse viel gewinnen und viel verlieren kann.

Aber Betrug war es doch - nämlich die Verwendung der eingenommenen 15.000.000.000€. Oder kann jemand sagen, wo die Kohle geblieben ist?
Eben!

Anonym hat gesagt…

Es gibt kein Gesetz, welches das Zocken mit Aktien zur staatsbürgerlichen Pflicht macht. Man kann (konnte) es also auch bleiben lassen und weiter Mensch ärger dich nicht spielen.

ppq hat gesagt…

@volker: das sieht die verbraucherschutzministerin aber ganz anders. wenn es um andere geht.

@anonym: es gibt auch keine pflicht, reißverschlüsse an den hosentaschen zu tragen. und trotzdem ist taschendiebstahl eine straftat.

Friederich hat gesagt…

Im Vergleich zur Enteignung durch Gelddrucken sind das wirklich Peanuts. Trotzdem richtig, mal wieder daran zu erinnern.

VolkerStramm hat gesagt…

@PPQ
Man kann ja nicht alles im Blickfeld haben.
Aber mein Eindruck (mag sein dass ich falsch liege) ist, dass das Verbraucherschutzministerium nur spielen will. In den meisten Fällen ist es wohl so, dass die als Tiger springen und als Bettvorleger landen.
Regelmäßig wird mit Überprüfung gedroht - aber in wieviel Prozent, in wie wenigen Promille kommt wirklich was dabei raus?

Stuff hat gesagt…

Also Leutz!
Ich versteh die Aufregung nicht: Spätestens als in diversen PR-Artikel (nicht in den Prospekten) der Begriff „Volksaktie” und ähnliche Konnotationen auftauchten war doch klar, dass jeder Hütchenspieler in der Kaufrauschpassage dagegen Ausbund an Ehrlichkeit darstellte und ein 6-aus-45-Tip höhere Vermögenszuwachswahrscheinlichkeiten bot. Tja, sag/schreib in Deutschland „Volks”-undirgendwas und jeder amnesiert seine Erfahrungen...

Stuff

ppq hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
ppq hat gesagt…

@ stuff: Dass jeder das hätte wissen können/müssen, ist doch klar. Dass ich als Bürger meiner Regierung kein Geld für etwas gebe, was mir sowieso gehört, auch.

Aber dass die Bundesregierung in Erwägung der Tatsache, dass Gier und Dummheit viele Menschen anders handeln lassen, diesen Plunder zu völligen Mondpreisen unters Volk gebracht hat, eine sozialdemokratische Regierung zumal!, darf damit nicht entschuldigt werden.

Das war Betrug, Betrug der, hätten Du oder ich ihn begangen, damit geahndet worden wäre, dass wir heute noch im Knast säßen. Und wir wären zuvor nicht einmal von den Kälbern, die wir zur Schlachtbank geführt hätten, gewählt worden, um "meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft (zu) erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann (zu) üben".

Stuff hat gesagt…

@ppq
Tja, ebbeddedd - - - Es war ja nicht die vielbeschworene & tragikkomische „Gier und Dummheit” sondern nur Dummheit. Die Gier eines Verwandten war viel zu unterentwickelt als dass er den Taschenrechner verwendet hätte, beim Zuruf „Volk” vermeinte er darauf verzichten zu können und hielt meine Argumente für „linke” Spinnereien.
naja, ihr habt ja einen Link zu „bounjour tristesse”, da stand ja so ein hübscher Artikel über die Eröffnung eines Knastes, exakt die gleiche Chose, nur invertiert, unter der Null-Linie sozusagen...

Stuff ;-)

nwr hat gesagt…

Witzisch. Lese ich ja jetzt erst. Als kritischer Staatsbürger ahnte ich schon damals, daß, wenn jemand dem Pöbel unter großen Versprechungen Aktien verkauft, das nur eine Enteignung á la "Gold gab ich für Eisen" sein kann.

Klinik hat gesagt…

Ich bin damals im Bekanntenkreis verlacht worden, eben weil ich nichts "gezeichnet" hatte.
Weltfremdheit wurde mir vorgeworfen und ich werde schon noch vor Neid blass werden...^^

...ich begrüße heute diese Bekannten gerne mit einem flotten:"Na? Wie steh´n die Aktien...?!^^"

Klinik hat gesagt…

Ich bin damals im Bekanntenkreis verlacht worden, eben weil ich nichts "gezeichnet" hatte.
Weltfremdheit wurde mir vorgeworfen und ich werde schon noch vor Neid blass werden...^^

...ich begrüße heute diese Bekannten gerne mit einem flotten:"Na? Wie steh´n die Aktien...?!^^"

Bankerin hat gesagt…

Der Masse hinterherlaufen kann nur schief gehen, auch an der Börse. Wenn alle kaufen, muß der Preis überhöht sein...