"Jede Form von Jugendbewegung, sobald nur eine neue Art sich zu kleiden oder eine neue Frisur cool ist, wird in rasantem Tempo vermarktet", verrät Alt-Punk Campino Frege heute der Heimatzeitung. Das Einzige, das die Werbung nicht aufgreift, sei Fremdenfeindlichkeit. "Die ist ein Tabu", hat der Düsseldorfer Rock-Philosoph bemerkt, "das, merken die Jugendlichen, ist der letzte abgegrenzte Bereich".
Vielleicht, sinniert er, könnte das ein Grund sein, der es manchem Jugendlichen immer noch und anscheinend trotz oder gerade wegen all der millionenschweren Kampagnen cool erscheinen lässt, rechts zu sein? "Man soll diese Zahlen also ernst nehmen, aber auch nicht überbewerten", empfiehlt der Mann, der die spätere Bundeskanzlerdarstellerin Angela Merkel in einem Interview einst nach ihren Erfahrungen mit Haschischspritzen befragte. Wichtig sei zu wissen: "Labern diese Kids vielleicht auch nur etwas daher, um den Interviewer zu provozieren? Tun sie es, um nicht von der Clique ausgegrenzt zu werden? Oder handelt es sich wirklich um verwurzelte Überzeugungen?"
In Chemnitz ist die Frage entschieden schreibt Martin Böcker auf dasgespraech: Denn der Bürgermeister von Chemnitz, dieser “Stadt der Moderne”, ist ein Wächter der Demokratie. Wachsam, blitzgescheit und klug. Auf einem 30 Quadratmeter großen Wandbild in einem Schulzentrum entdeckte er jüngst ein Kreuz, um dessen Mitte ein Ring liegt: Pfui Spinne, Keltenkreuz! Rechtsradikales und/oder extremistisches Symbol! Das Bild muss übermalt werden!
Und wie Recht er hat. Natürlich wird einem schnell klar, dass die Kritik am Keltenkreuz etwas konstruiert ist. Aber das ist legitim, schließlich handelt es sich bei dem 22-jährigen Maler um Benjamin Jahn Zschocke. Und der ist rechts, und das ist böse. Er arbeitet einerseits als Schreibkraft für Pro Chemnitz und veröffentlicht andererseits Texte beim Online-Magazin “Blaue Narzisse”. Ekelhafterweise sind die einen rechtmäßig gewählter Teil des Stadtrats und die anderen Teil der freien deutschen Presse.
So könnte man am Ende noch den Eindruck bekommen, dieser rechtsumtriebige Zschocke wäre kein verkappter Nazi, sondern einfach nur ein konservativer Künstler. Und dummerweise auch noch talentiert. Doch daran sollte man keinen Gedanken verschwenden, sonst holt einen noch das schlechte Gewissen ein. Denn das kann schnell passieren, wenn man darüber nachdenkt, dass man ein 30 Quadratmeter großes Wandbild aufgrund politischer Bedenken übermalen möchte.
Auf der einen Seite stehen ehrenamtliches Engagement, journalistische Arbeit, Broterwerb und freie Kunst – alles innerhalb des demokratischen Spektrums, aber rechts. Auf der anderen Seite steht ein drei Meter hohes und zehn Meter breites Wandbild, solide Arbeit, das an einer Stelle ein in einen Ring gefasstes Kreuz zeigt. Nach einer kurzen, sachlichen Güterabwägung muss uns allen klar sein, dass dieses Bild übermalt werden muss.
Denn eines ist gewiss, wer heutzutage nicht alles rechts der Union verunglimpft, verpasst nicht nur die schnelle Wählerstimme, sondern auch den langfristigen Machterhalt. Aus diesem Grunde sei eindringlich an die Hüter der Moral appelliert: Übermalt dieses Bild! Redet nicht mit Rechten! Seid kreativ in euren Repressalien!
Vielleicht, würde Campino raten, klappt es ja zum ersten Mal, eine Jugendkultur mit derartigen Mitteln zu unterdrücken. Vielleicht klappt es ja zum ersten Mal, eine Jugendkultur mit derartigen Mitteln unattraktiv zu machen. Vielleicht ist ab Morgen wirklich alles anders. Und die Jungen wollen sein, wie die Alten sind.
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