Erst schnippelten sie ein Interview mit Wladimir Putin so übel zurecht, dass es reisekostensparend auch gleich mit Angela Merkel oder Claudia Roth hätte geführt werden können. Dann schalteten sie ihren Tagesschau-Blog ab, um nicht dauernd wütende Protesteinträge löschen zu müssen. Und nun haben die hohen Herren in der ARD-Intendantur beschlossen, dass der Interviewer Thomas Roth auf die zahllosen Blogeinträge und Diskussionen ermächtig wird zu erklären: "Von Zensur kann keine Rede sein".
Ohne mit einem einzigen Wort auf die inhaltsverändernden Kürzungen einzugehen, fabuliert der arme Autor über irgendwelche Verabredungen mit dem "Pressedienst des Ministerpräsidenten", nach denen "wir, sofern der Inhalt es rechtfertigt, in den Nachrichtensendungen der Tagesschau und den Tagesthemen über das Interview berichten und außerdem eine zirka zehnminütige Zusammenfassung nach den Tagesthemen senden. Das haben wir selbstverständlich auch getan (Wortlaut)."
Dann gibt Roth den bekannten Fakt zum Besten, dass das Interview selbst erheblich länger" war. Das komme übrigens durchaus häufig vor, heißt es überraschenderweise. Nun ein Blick ins Nähkästchen der großen geheimnisse des Journalismus: "Fernsehen, Radio, aber auch Zeitungen stellen in einem solchen Fall eine redaktionelle Fassung her, die dann in dem vorbesprochenen Rahmen auch veröffentlicht wird. Mit Zensur hat das nicht das geringste zu tun. Manche E-Mail-Schreiber scheint das zu bewegen."
Alle anderen scheinen nur wegen Putins Frisur und Roths Anzug geschrieben zu haben. Dessen Träger fährt un fort im ablenkenden Gewäsch, von dem man ja mitdenken muss, dass es ARD-intern wahrscheinlich schon seit zwei Tagen durchdie Führungsinstanzen diskutiert worden ist. "Ich habe zugelassen, dass das Interview durch mehrere russische Sender begleitet wird und nach einer vereinbarten Sperrfrist (20:00 Uhr Ortszeit) nach eigener Entscheidung veröffentlicht werden kann. Die russischen Sender haben das in sehr unterschiedlichen Längen getan (von 5 bis zu rund 40 Minuten). Einige haben nur das aus ihrer Sicht Wichtigste veröffentlicht. Verpflichtet waren sie nur zur Quellenangabe: ein Interview der ARD, Erstes Deutsches Fernsehen. Nur zum Verständnis: Hätte die ARD Interesse daran gehabt, irgendetwas nicht zu veröffentlichen, hätten wir uns gar nicht erst auf solche Bedingungen eingelassen. Also nichts durcheinander bringen!"
Gern doch. Wir trauen der ARD für die Zukunft durchaus zu, dass sie entsprechende Schlüsse zieht und künftig keine ausländischen Sender mehr an ihren INterviewterminen teilnehmen lässt. Dieses Internet ist doch eine Pest, da kommt irgendwie alles raus, selbst wenn es nur ein paar weggeschnittene Sätze sind.
Um jetzt mal Ruhe reinzubringen ein letzter Punkt: "Selbstverständlich ist unser journalistisches Interesse, das ganze Interview zu veröffentlichen. Das geschieht am Dienstag, den 2. September, um 6:20 Uhr im WDR-Fernsehen und wird danach auf www.tagesschau.de auch in schriftlicher Form veröffentlicht. Wir machen das sehr gerne und freuen uns, wenn wir das große Interesse damit zufriedenstellen können." Abtippen brauchen sie das gespräch ja nun nicht mehr, können sie ja aus einem von -zig Blogs kopieren, wo es ohnehin längst in voller Länge steht.
Roth nochmal, nun aufatmend: "Allerletzter Punkt: Ich freue mich, am Donnerstag, den 04. September, um 13:00 Uhr über das Interview auf tagesschau.de zu chatten. Sie alle sind dazu gewiss herzlich eingeladen. Mit besten Grüßen Thomas Roth."
Zuallerallerletzt eine lustige "Anmerkung der Redaktion: Das tagesschau.de-Blog war vorübergehend aus technischen Gründen nicht erreichbar, wir bitten um Verständnis."
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