Er soll die Supernanny der Langzeitarbeitslosen werden, ein "Arbeitsbeschaffer", der für RTL im Abendprogramm Quote macht. Der erste Fall des "Jobexperten" Lars Naundorf führte justament in die hallesche Silberhöhe, wo der Auskenner mit den gelben Hemden und den braunen Anzügen der langzeitarbeitslosen Familie Jahn "zurück ins Leben helfen" wollte.
Eine Herausforderung, denn alles spricht gegen einen Erfolg: Mutter Ina Sachse, ein Mittdreißigerin, die einstmals Schwarm aller Jungen gewesen sein mag, ist mit kurzen Unterbrechungen seit 17 Jahren arbeitslos. Sie "managed die Familie", wie sie sagt. Vater Rainer Jahn, Liebhaber von Lonsdale-T-Shirts, hat einen "kaputten Rücken" und weder Lust, auf Montage zu fahren, noch in einem Callcenter zu arbeiten. Der Computerbastler träumt von einem ruhigen Job als Hausmeister oder einer Stelle als Computermonteur, zu letzterem fehlen ihm allerdings die Fachkenntnisse. Tochter Nicole, hübsch wie die Mutter mal war, macht gerade ein freiwilliges soziales Jahr, möchte Altenpfleger werden und sucht eine Lehrstelle - aber richtig dringend ist da alles nicht, denn für sich selbst und die drei Kinder bekommt die Familie zur Zeit auskömmliche 1.982 Euro im Monat aus Mietzuschuß, Kindergeld, Hartz4 und ABM-Entlohnung.
Dennoch wünscht sich Ina Sachse, dass ihr Mann "seinen faulen Arsch hochkriegt" und dass sie selbst "von meinem eigenen Geld auf die Beine kommt". Für die Frau, die zur Zeit eine ABM macht, findet der RTL-Jobsucher schnell eine Stelle als Aufsicht in einer Spielothek mit dem Namen "Kreuz As", die Ina Sachse vielleicht annehmen wird, wenn ihre ABM in einem Jugendklub, wo sie derzeit als Vorbild für Kinder und Jugendliche eingesetzt ist, beendet sein wird. "Ich wörde da widder arbeeten", sagt sie. Auch bei Tochter Nicole ist der Privatfernsehbeauftragte für den Aufschwung schnell erfolgreich: Einfach ein paar schicke Fotos mit einer alten Frau gemacht und schon hat die 20-Jährige ihre Ausbildungsstelle im Altenheim um die Ecke.
Nur Rainer Jahn stellt sich als harter Brocken heraus. Was er will, kann er nicht, was er kann, will er nicht. Zu einem Vorstellungsgespräch in einem Computerladen erscheint er in knorkeliger Jacke und T-Shirt mit malerischem Loch, jeder zweite Satz in seinen Vorstellungsgesprächen handelt von seinen "kaputten Rücken", der ihm verbietet, schwer zu heben oder lange zu stehen. Arbeitsbeschaffer Naundorf platzt kurzzeitig der Kragen, er herrscht seinen Mandanten, der im Polohemd mit braunem Dschungelmuster zum Termin mit dem Firmenchef erschienen ist, an: "Wir sind doch hier nicht auf Safari!" Jahn aber, als ostdeutscher Proletarier sein eigener Herr, lässt sich "nicht beleidigen". Er steht auf und geht.
Der Computerladen würde ihn dennoch nehmen, wenn er zuvor eine Umschulung machen würde. Dazu aber hat Jahn keine Lust, denn er, sagt er, müsse "jetzt erstemal ans Jeld verdienen denken."
Doch auch der Hausmeisterservice in Erfurt, der ihn nehmen würde, ist nicht das Richtige. Um dort anzufangen, müsste die Familie umziehen. Das würde zwar vom Arbeitsamt bezahlt, kommt aber trotzdem nicht infrage. "Dann müsste ich mir wieder eine neue Stelle suchen", sagt Ina Sachse, die die Stelle, von der sie spricht, noch gar nicht angenommen hat. Zudem kennt man niemanden in Erfurt. Außerdem, ist der Familienrat einig, würde die alte Küche bestimmt nicht in die neue Wohnung passen. Oder beim Versuch, sie zu transportieren, kaputtgehen. So muss das Jobwunder auf RTL erstmal ausfallen. Hoffentlich hat wenigstens die Einschaltquote gestimmt. Für die Familie Jahn bleibt die Freude, nach gängigigen Honorarsätzen etwa 2.500 Euro von RTL bekommen zu haben.
Gemessen an den Fakten, darauf weißt ein Leser mit Recht hin, verhält sich die Familie natürlich vollkommen rational, wie das in einer modernen Wirtschaftswelt verlangt wird. Rainer Jahn ist ein Homo Oeconomicusse par excellence: 2000 € im Monat fürs Nixtun und ABM? Das ist selbstverständlich besser als Umzug um zu arbeiten, und dann weniger Geld zur Verfügung zu haben: Sobald Jahn arbeiten würde, müsste er die Miete selbst zahlen, dazu kämen die Fahrkosten nach Erfurt...
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5 Kommentare:
den ablauf hätte ich in etwa so vorhersagen können :-)
Irgendwie kriege ich meinen Mund vor Entsetzen, nach dem Lesen dieses Eintrages gar nicht mehr zu.
Die Einschaltquoten haben sicherlich gestimmt denn scheinbar liebt es die Mehrheit der "Gucker" sich in der "Bestätigung" ihrer Vorurteile zu baden, wie man am Vorkommentar schon erahnen kann.
Da wurde eine arbteislose Familie mal schön an den Pranger gestellt.
Der unglaublich kompetente Arbeitsbeschaffer hüpft heran um der schwierigen Familie zu helfen und ausschließlich Gutes zu tun.
Natürlich. Der schwierige Herr Jahn wird zu den vom kompetenten Arbeitsbeschaffer, aufgrund von Herr Jahns schwierigen Berufsprofils ausgewählten Vorstellungsgesprächen gezogen. Natürlich mit einer 1a seriösen Bewerbung. Was für eine Arbeit sich der kompetente Arbeitsbeschaffer doch gemacht hat. Und der schwierige Herr Jahn der nun seit 7 Jahren arbeitslos ist, macht alles zunichte.
Er taucht schlecht gekleidet zum Probearbeiten auf. Und Nein, er macht es sogar ein zweites Mal.
Hey, wir sind hier doch nicht auf Safari!
Mal ganz ehrlich. Was hat der Arbeitsbeschaffer geleistet?
Nach seiner prunkvollen Selbstdarstellung zu Beginn der Sendung und dem RTL-Tamtam um ihn hätte man mindestens erwartet, dass..
.. er sich intensiv mit der Familie beschäftigt
.. er den Jahn's Ratschläge, Tipps, Verbesserungsvorschläge und Hilfestellungen gibt
.. er sie "vorbereitet".
Was er getan hat, sieht folgendermaßen aus:
Er hat notiert, welche beruflichen Wünsche und Abneigungen (wobei es ein Verbrechen ist überhaupt welche zu haben, man muss ja flexibel (!) sein) die Jahn's haben und anstatt intensiv mit Hernn Jahn über seine Vorstellungen zu sprechen und das ganze auszuarbeiten, schmeißt er eine düstere Prognose in den Raum.
Jaja, dann hat er noch Herrn Jahns Qualifikationen "herausgestellt".
Scheinbar äußerst oberflächlich denn gerade der Arbeitsvermittler mit dem kompetenten Lächeln sollte doch nicht auf den Kopf gefallen sein, im Gegensatz zum blauäugigen Herrn Jahn, der sich im Fernsehen mit seiner Naivität und Unwissenheit über das "Pc's Reparieren" zum Deppen lassen machen musste. Nun gut, dann lässt man den schwierigen Herrn Jahn eben am eigenen Leib spüren, dass er eigentlich nichts kann. Anschließend mukiert sich der Herr Beschaffer über Herrn Jahns Kleidungsstil beim Probearbeiten. Wieso gab der grandiose Beschaffer keine Hilfestellungen? Wieso hat er ihm nicht unter die Arme gegriffen und ihm gezeigt wie es besser wäre, wie es sein müsste? wieso hat er ihn nicht vorbereitet oder spätestens nach diesem einen schlechten Probearbeiten gemeinsam mit Herrn Jahn eine Fehleranalyse durchgeführt?
Der Mann ist seit 2001 (!) arbeitlos und hatte wohl seither kein einziges Vorstellungsgespräch.
Letzendlich besorgte der gute Mensch ja immerhin recht leicht einen Ausbildungsplatz für die Tochter und eine gute Aussicht auf einen Job für die Mutter. Wohl bemerkt, angenehm nah am Wohnort.
Dann bringt er DAS Angebot. Das erste was Herrn Jahn scmackhaft gemacht wird, ist der Verdienst, dann erst einen Teil der Vorraussetzungen.
Beim Vorstellungsgespräch seines Lebens muss Herr Jahn sich wohl wirklich wie auf Safari gefühlt haben und war wohl doch richtig gekleidet. Wobei es ja wie oben erwähnt, durch ein wenig gutes Zurreden und vielleicht eine kleine Shoppingtour inkl. Friseurbesuch ganz anders hätte aussehen können. Wie auch immer.
Herr Jahn sitzt nun dort, glücklich um die neuen Jobs seiner Frau und Kinder und hoffnungsvoll einen guten Job zu erlangen und wird quasi aufgefordert sich am besten vor Ort noch zu entscheiden ob er seine Familie für 1600€ im Monat sitzen lässt. Denn, dass die Familie nicht mitziehen wird, war von Anfang an klar. Abgesehen davon, dass der gute Arbeitsbeschaffer Mutter und Tochter gerade erst neue Jobs im Wohnort (!) besschafft hat. Herrn Jahns Verzweiflung zum Ende kann ich verstehen. Von Vorwürfen überhäuft und mit dem Gedanken an die Zukunft sieht er entweder seine Familie schwinden oder weiterhin ein Leben mit der Arbeitslosigkeit.
All das hätte verhindert werden können und hätte nicht sein müssen.
Das die gute Familie ein wenig naiv und stur war, keine Frage aber es hat sie auch niemand eines besseren belehrt.
Jahrelange Arbeitslosigkeit aber sie sollen genau wissen, wie alles läuft.
Was hat der Beschaffer nun geleistet?
Angeblich hat er für Familie Jahn etliche Autofahren getätigt(Welch schwere Last auf des Beschaffers Rücken), wobei man ihn eher 3 Minuten hat telefonieren sehen (Welch Glück um die Macht des Beschaffers, hat er es doch so leicht durch Kontakte), er hat fotografiert und sich von anderen erzählen lassen wie Herr Jahn sich so macht und sich mit Sicherheit Tage und Nächte mit Windows-Office-Word-Bewerbungsvorlagen rumgeschlagen (Was übrigens ein ganz netter Einblick für Herrn Jahn gewesen wäre... Umgang mit Pc's aber ... wäre ja alles vergebene Liebesmüh).
Ich möchte Arbeitslose im Allgemeinen nicht in Schutz nehmen und nichts pauschalisieren. Mir geht es nur um dieses unglaubliche Format. Ich finde es grausam und noch schlimmer finde ich, dass die Menschen vor dem Flimmerkasten mindestens genauso blauäugig sind wie Herr Jahn und einzig den Beschaffer mit seinen guten Taten im Kontrast zum schwierigen Safari-Hemden tragenden, "asozialen" und "unbelehrbaren" Arbeitslosen sehen.
Und als gute Fee sehe ich für mich den nett lächelnden Arbeitsvermittler nicht.
Nach seinem Besuch wäre ich wohl doppelt so deprimiert wie zuvor.
fragen:
1.) hat irgendjemand die familie gezwungen, sich zum deppen machen zu lassen?
2.) hat mein vorredner auch nur die leiseste ahnung, wie die arbeit des arbeitsbeschaffers außerhalb der sendezeit aussah? ob er also nicht vielleicht doch "Ratschläge, Tipps, Verbesserungsvorschläge und Hilfestellungen" gegeben hat?
3.) reicht ein wenig naivität und sturheit aus, um das verhalten der familie wirklich zu erklären?
4.) ist irgendwo die rede davon, dass das rtl-format nicht "unglaublich" (wir können es sagen: einfach schmierig) ist?
Antworten:
1.) "Gezwungen" vermutlich nicht - aber ganz bestimmt auch nicht damit herausgerückt, dass sie sich mit der Teilnahme an der Sendung zum öffentlichen Gespött machen.
2.) Wenn es so gewesen ist, hätte man das etwas mehr und deutlicher zeigen können. So aber hat man sich lieber darauf versteift, die Familie vorzuführen.
3.) JA!
4.) Es kommt zumindest nicht rüber. Der Tenor des Artikels scheint in die gleiche Kerbe zu schlagen wie die Sendung selbst.
oh mann, maya fordert wirklich mehr rücksicht auf typen die "seit 2001 kein bewerbungsgespräch" mehr hatten?! erwachsene leute sollen ernsthaft von rtl oder wahlweise wohl vom staat an die fürsorge-hand genommen werden?
nee, eigenverantwortung heißt das zauberwort. aber die will wohl ein teil der gesellschaft nicht mehr übernehmen.
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