Eine Physikerin aus Vorpommern rettet Europa. Ein Pop-Beauftragter aus Hannover stellt sich wie ein Mann vor das Weltklima. Junge Leute mit schwarzen Kapuzen klatschen nach einem Haschespiel mit der Polizei an einem Drahtzaun ab und glauben daran, die Erde damit zu einem besseren Ort gemacht zu haben. Ein junger Mann aus Mitteldeutschland, mittellos und ohne Job, schreinert in seinem Wohnzimmer einen Atommüll-Reaktor. Zwei Drittel aller Deutschen, die sich selbst für in Finanzdingen gut informiert halten, glauben, Rentenfonds heißen so, weil man damit seine Rente sichern könne. Verstreute Fälle, aber Anzeichen desselben Phänomens, das Justin Kruger und David Dunning von der Cornell Universität vor zehn Jahren zu erforschen begannen. In einer Reihe von Experimenten stellten sie Erstaunliches fest: Inkompetente Personen neigen nicht nur dazu, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen und überlegene Fähigkeiten bei anderen zu übersehen, sie sind auch nicht in der Lage, das Ausmass ihrer Inkompetenz in diesen Punkten zu erkennen.
Dieser sogenannte Dunning-Kruger-Effekt erklärt viele auf den ersten Blick völlig unerklärlich scheinende Phänomene, die uns im Alltag begegnen. Wieso glaubt der Klavierspieler und Sänger Konstantin Wecker, das Patentrezept für eine bessere Welt aus seinen Notenblättern lesen zu können? Was lässt einen Bioladenbesitzer in Plauen annehmen, er könne durch das Entrollen eines selbstgemalten Spruchbandes an der Ostseeküste eine falsche Strategie im Umgang mit einem Land in 15.000 Kilometern Entfernung aufdecken? Wie kann ein langjährige beurlaubter Volksschullehre aus Goslar, der als Pop-Beauftragter gescheitert ist, zu der Annahme kommen, er wisse genug über das Weltklima, um ihm den Rettungsring zu halten?
Dunning und Kruger kennen den Grund. Denn gerade mangelhafte Fähigkeiten im Erfassen von Texten, im Schachspielen oder Autofahren führen - je nach Grad der Unfähikeit der betreffenden Person - häufig zu einem besonderen Zutrauen zu den eigenen Fertigkeiten. Das gilt themenübergreifend: Unwissenheit schafft mehr Selbstvertrauen als Wissen, Wissen hingegen führt letztlich vor allem zur Gewissheit darüber, wieviel man nicht weiß, und damit zu Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten. Kurz gesagt ist Dummheit gut für das Ego, Nachdenken aber endet in Zweifeln. Möglicherweise, meinen die Forscher, sei eher klugen, nachdenklichen und über ein reiches Wissen verfügenden Menschen bewusst, dass mit zunehmendem Wissen auch die Kenntnis über das, was sie nicht wissen, zunehmend größer wird. Dass die eher einfach gestrickten Probanten diese Erkenntnis nicht gewinnen könnten, liege daran, dass die Fähigkeiten, die Kompetenz ausmachen, dieselben sind, die den Menschen auch die Grenzen der eigenen Fähigkeiten erkennen lassen.
In der Realität ändert diese Erkenntnis wenig, weil in den Versuchen von Dunning und Kruger am Ende doch die Testpersonen, die die eigenen Fähigkeiten am niedrigsten schätzten, die besten Ergebnisse lieferten, während Probanden mit den schlechtesten Kenntnissen und dem höchsten Selbstvertrauen die geringsten Erfolge aufwiesen. Nein, das sind keine guten Nachrichten für die EU, das Klima und die Atomforschung.
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5 Kommentare:
oh, wie sehr, sehr , sehr dies mir im moment aus der seele spricht.
nur der weise mann weiss dass er nichts weiss.
genau, ja, genau
"Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück." - Gottfried Benn
natürlich zweifle ich daran, dass benn recht hatte :-)
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