Mittwoch, 19. Februar 2025

Heizungswende rückwärts: Dieseldieter, Held in Öl

Heldenhaft: Die "Gasturbine" von Marbach 4 wird mit Heizöl betrieben

Sie leistet mehr als 60 Windkrafträder. Sie ist neu, riesig und zwei Jahre zu spät dran. Aber mit 100 Millionen Euro Kosten ein echtes Kraftpaket. Nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung wird der Neubau der EnBW in Marbach (Kreis Ludwigsburg) künftig helfen, vorübergehende Probleme mit der Netzwerkstabilität zu beheben:  Die neue Riesen-Anlage wird "Schwankungen im Stromnetz" ausgleichen, wie sie trotz des durch die Ampel-Regierung beschleunigten Ausbaus der Erneuerbaren gelegentlich immer noch vorkommen.

Beeindruckende Größe

Die nach viereinhalb Jahren Bauzeit in Baden-Württemberg fertiggestellte Anlage, intern "Marbach 4" genannt, beeindruckt schon allein durch ihre Größe. Geht alles gut, wird sie in Zukunft etwa 3,5 Prozent der Stromnachfrage im Land decken können, zumindest wenn gerade der Abend eines 13. Februar ist. Die Stromerzeugungskapazität liegt bei bis zu 300 Megawatt, mehr als ein Drittel der Leistung des vor zwei Jahren abgeschalteten letzten deutschen Kernkraftwerkes im 20 Kilometer entfernt liegenden Neckarwestheim.

Doch Marbach 4 nutzt nicht den gefährlichen Kernbrennstoff, um in die Bresche zu springen, wenn die Kohlekraftwerke in der Region wie von der EnBW geplant im Jahr 2028 endgültig vom Netz gehen. Bei der hochmodernen "Gasturbine" handelt es sich um eine Konstruktion, in der ein Verdichter Luft ansaugt und verdichtet, ehe ein Öl-Wasser-Gemisch in eine Brennkammer gespritzt und entzündet wird. Die entstehenden Verbrennungsabgase treiben dann eine herkömmliche die Turbine an, die wiederum einen beschickt. Besonderer Clou: Das kleine Kraftwerk benötigt keine Energie aus dem Netz, denn ein Teil der selbsterzeugten Energie wird zum Verdichten der angesaugten Luft genutzt.

Fast zwei Tage Betrieb

Beinahe ein perpetuum mobile. Groß sind denn auch die Hoffnungen darauf, dass das offiziell als "Netzstabilitätsanlage ergänzend zum bisherigen Kraftwerksbestand" errichtete Powerhouse zum "Helden der Energiewende" wird, wie es die Stuttgarter Zeitung nennt. Auch wenn die "Gasturbine" vorerst noch nicht eingeschaltet werde, könne Marbach 4 mit einer maximalen Feuerungsleistung von 940 Megawatt im Falle einer Dunkelflaute mindestens 38 Stunden im Dauerbetrieb sein - also fast zwei Tage. 

Insgesamt schaffe die Anlage sogar "mindestens 500 Betriebsstunden im Jahr", sie kann damit nahezu über sechs Prozent der Gesamtlaufzeit eines Jahres betrieben werden. Vorausgesetzt, der Betriebsstoff geht nicht aus. Doch diese Gefahr besteht nicht: In den benachbarten Öllagern werden 70  Millionen Liter leichtes Heizöl bevorratet. Die Menge reicht normalerweise aus, um mit einem älteren Diesel unter Nutzung einer ähnlichen Gasturbinen-Technologie 25.000 Mal rund um die Erde zu fahren.

Hochgefahren in 30 Minuten

Das aber würde deutlich länger dauern als das Anfahren von Marbach 4, wenn Sonne, Wind und andere regenerative Quellen künftig mal zu wenig Strom hergeben oder Transformatoren, Umspannwerke oder Teile des Netzes ausfallen. Nur 30 Minuten dauert es nach Angaben der EnBW, das Kraftwerk hochzufahren und die fehlenden Stromlieferungen von 60 der derzeit in Baden-Württemberg betriebenen 775 Windkraftanlagen auszugleichen.

Um alle zu ersetzen, bräuchte es freilich noch deutlich mehr Investitionen in umweltfreundliche moderne Kraftwerke: Rein rechnerisch ist eine weitere Milliarde Euro unabdingbar, um ausreichend weitere "Feuerwehren, auf die man sich verlassen kann, aber froh ist, wenn man sie nicht rufen muss" zu errichten, um sämtliche Windkrafträder im Fall einer Flaute vorübergehend zu ersetzen. 

Geplant sind derzeit aber erstmal nur drei solcher Anlagen in Süddeutschland mit insgesamt 1200 Megawatt Stromerzeugungskapazität ausgeschrieben. Das entspricht etwa einem Drittel der Leistung der stillgelegten Kernkraftwerke Neckarwestheim und Phillipsburg.

Lindner-Liberalismus: Letzte Hoffnung Kettensäge

Christian Linder geht kurz vor dem Wahltermin auch noch all in.

Es sollte eigentlich nicht gleich die Kettensäge sein. Christian Lindner wusste zwar um die Sehnsucht vieler früherer Wählerinnen und Wähler seiner ehemals liberalen Partei nach einer Rückkehr zur Verteidigung der Grundrechte, zum Unterhaken gegen die "Übergriffigkeit" (Friedrich Merz) des Staates und zur Abkehr von einer Strategie dauernder Bücklinge vor einem vermeintlich grünen Zeitgeist.  

Mann der Berliner Blase

Doch der Mann, der die FDP nach ihrer letzten großen Sinnkrise aus dem Tal der Tränen zurück in den Bundestag geführt hatte, lebt natürlich auch in der Berliner Blase, in die die Wirklichkeit nur über vielfache Medienfilter dringt. Dass es schlimm steht um Staat wie um die eigene Partei, das wusste Lindner. Doch wie schlimm, das konnte er aufgrund seiner persönlichen Situation als ums Überleben kämpfender Ampelminister nicht ahnen.

Die Strategie, die er seinen ehemals Liberalen im Wahlkampf verordnete, gieß also wie immer: "Alles lässt sich ändern". Was wir genau ändern werden, wird aber ganz, ganz wenig sein. Ein Versprechen, das nicht verfing. Wie festgeklebt lag auch die FDP bei den Umfragewerten, die ihr schon seit einem Jahr zugeschrieben werden. Weder das hartnäckige Festhalten an der gemeinsamen Regierung mit SPD und Grünen noch das verwegene Ausstiegsmanöver im Spätherbst löste die Fesseln. 

Gewonnen wie zeronnen

Kaum hatte Lindner mit seinem provozierten Rauswurf die wiedergewonnen, die er wegen des allzulangen Mitwirkens an der desaströsen Regierungspolitik verloren hatte, verlor er die, die ihm vorwarfen, die Ampel nicht viel früher oder besser gar nicht zum Platzen gebracht zu haben. Verzweifelt warf sich der Parteichef auf einer Tour quer durchs Land in die Bütt, er wetterte und schimpfte noch weit mehr auf die bisherige Regierung als selbst Olaf Habeck und Robert Scholz. Doch auch das brachte nichts.

Für Lindner geht es längst ums Überleben, auch um das persönliche. Wie Friedrich Merz hatte der Alleinherrscher der FDP mehrfach versucht, das Wasser mit dem kleinen Zeh zu testen. Er schlug die Schließung des Umweltbundesamtes vor. Forderte, Deutschland müsse mehr Musk und Milei wagen. Und wie Merz, sein Wunschpartner in einer brandmauerfreien Parallelwelt mit Mehrheiten rechts der Mitte, zuckte er jedes Mal schnell zurück, sobald ein Gegenwindchen aufkam. Nicht so gemeint. Falsch verstanden. 

Nichts mehr zu verlieren

Aber nun ist es auch egal. Auf den letzten Metern des Wahlkampfes, die schlimme Schlappe bei der Bundestagsabstimmung zur Brandmauer noch im Genick, geht Christian Lindner all in. Einer seiner Minister hatte ihm schon beim Ausstieg aus der Regierung die Gefolgschaft gekündigt. Ein Drittel seiner eigenen Fraktion ließ sich weder durch Bitten noch durch Barmen überreden, dem symbolischen Unionsantrag zur Migrationsbegrenzung so geschlossen wie CDU, CSU und AfD zuzustimmen. Da schadet es nun gewiss nicht mehr, wenn Lindner auf seiner Ankündigung, eine Behörde zu schließen, 99 weitere draufpackt.

Die Wahrscheinlichkeit, der nächsten Bundesregierung anzugehören, ist gering, die Wahrscheinlichkeit, dort so stark vertreten zu sein, dass der nächste Vizekanzler Lindner die Kettensäge mit zu den Kabinettsberatungen bringen darf, liegt bei null. Lindner will sich später im Ruhestand, wenn er mit Olaf Scholz die schlechten alten Zeiten bei einem guten Baroso Revue passieren lässt,  nicht vorwerfen lassen, dass er nicht alles versucht hat.

Erfolge für Marx

Den Marx machen viele in diesem Wahlkampf, so erfolgreich, dass der Wahltag gerade noch rechtzeitig kommt, um eine Alleinregierung der Linkspartei gerade noch zu verhindern. Den Musk dagegen spielt noch niemand, auch wenn die Sehnsucht nach Afuera und Kleinholz in Behördenstuben die sozialen Netzwerke wie Morgennebel durchzieht, seit der reichste AfD-Unterstützer der Welt daheim in Amerika mit eisernem Besen durch die Institutionen fegt. Lindner hatte Anfang Januar versucht, den südafrikanischen Migranten für die FDP zu gewinnen. War aber abgeblitzt, weil er Musk wohl zu bieder selbst nach Behördenmief roch.

Im zweiten Anlauf will er es nun besser machen, selbst ohne Hilfe aus den USA. Kurz vor knapp ließ er Pläne durchsickern, 100 Behörden schließen zu wollen - bei derzeit nicht einmal 1.000, die der Bund nach Angaben des Bundesverwaltungsamtes unterhält, wäre das ein tiefer Einschnitt, den die demokratischen Institutionen auf anderen Wegen kaum auffangen könnten. Statt Kettensäge legt die Lindner damit die Axt ans Funktionieren der Gesellschaft, die ohne Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, die NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie oder Bundessorten- und Bundessprachenamt kaum mehr überleben könnte.

Letztes Manöver

Es ist ein letztes Wahlkampfmanöver, zumindest aber das letzte des Christian Lindner. Sticht die Karte nicht, sich als deutscher Milei zu inszenieren und ab sofort als "Ultraliberaler" (Die Zeit), "rechts" (ZDF) und "Rechtspopulist" (Deutsche Welle) aufzutreten, war es das mit dem Chef der Partei von Heuss, Scheel, Genscher, Möllemann und Brüderle. Das "Strategiepapier" der Parteileitung, begründet mit der Notwendigkeit eines Vorgehens gegen den "Wildwuchs an Verwaltung", zielt auf den Kernbestand eines Staates, der sich selbst seit Jahren schon nicht mehr über den Zuwachs an Wohlstand bei den Bürgern, sondern über das Wachstum an eigenen Verfügungstruppen definiert. 

Gerade die Ampel sah in der Versorgung der eigenen Leute ein probates Mittel, sich Freunde zu machen: Sie legte sich mehr als 1.600 neue Beamtenstellen zu, ein Plus von acht Prozent. Auch an der Tradition der Durchführung einer Operation Abendsonne am Ende der Dienstfahrt hielten die Ampelminister fest.  Ist der Ruf erst ruiniert, befördert es sich ungeniert: Ohne jeden Verstoß gegen gesetzliche Regeln und ungeachtet aller Haushaltsengpässe konnten in den vergangenen zwei Monaten  noch einmal 90 Beamte des höheren Dienstes und für besonders verdiente Parteimitglieder neue sichere und gutdotierte Posten in der Bundesverwaltung geschaffen werden.

Überlappende Aufgabe

Lindners neuer Eifer, zu privatisieren, zusammenzulegen oder zurückzuschneiden, was über Jahrzehnte und unter zahlreichen Bundesregierungen in aller Ruhe wachsen durfte, entspringt nicht einer inneren Überzeugung, sondern dem Mut der Verzweiflung. Der Staat müsse Behörden mit "überlappenden Aufgaben" zusammenstreiche und seine eigenen Aufgaben auf den wirklich notwendigen Kern reduzieren. "Dadurch ergeben sich erhebliche Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen", hat die  FDP ausgerechnet in dem Moment entdeckt, in dem sie von der Macht so weit entfernt liegt wie seit 2011 nicht mehr.

Dienstag, 18. Februar 2025

Hass aus allen Ritzen: Das wird man wohl noch sagen dürfen

Mutig auf der Mauer, um die Meinungsfreiheit zu schützen: Spezialfahnder sorgen in Deutschland dafür, dass freie Rede im Internet nicht missbraucht wird.

Sie sind clever, sie sind hochausgebildet, sie sind wachsam und für die deutsche Demokratie das letzte Bollwerk vor dem Hass. Wie die Nachtwache im Epos "Game of Thrones" stehen die Staatsanwälte des Sonderkommandos gegen Online-Hass für die deutsche Version von Meinungsfreiheit: "Das wird man wohl noch sagen dürfen", umreißt Matthäus Fink die Frage, die ihm am häufigsten gestellt wird, wenn ein Polizeikommando morgens früh um sechs vor der Tür sich harmlos Gebender Bürger steht, einen Hausdurchsuchungsbefehl vorweist und mit mitgebrachten schweren Waffen zeigt, dass Widerstand  zwecklos ist.

Hass aus allen Ritzen

Oft sind sich die Besuchten völlig im Klaren darüber, dass das, was sie gesagt haben, verboten ist. Doch Hetze, Hass und Zweifel haben Deutschland erobert wie einst das Christentum Rom. Je mehr verboten wurde, je deutlicher die öffentlichen Ansagen waren, wer sich jetzt wegen seiner Ansichten alles vorsehen sollte, desto mehr vom süßen Brei der Versuchung, sich abweichend zu äußern, quoll aus den Ritzen der sozialen Netzwerke.  

Höchste Zeit für eine wirklich drastische Warnung, sagten sie sich bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet im niedersächsischen Hannover, einer der ersten und schlagkräftigsten Sondereinsatzgruppen zur Einhegung der Meinungsfreiheit auf das von Staat und Regierung großzügig gewährte grundgesetzliche Mindestmaß. 

Harte Schranken

Das ist keinesfalls so schrankenlos, wie es die deutsche Verfassung in Artikel 5 mit der Festlegung suggeriert "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Denn Absatz 2 desselben Artikels legt fest: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre".

Ein weites Feld, das Matthäus Fink und seine Kollegen Svenja Meininghaus  und Frank-Michael Laue bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet Niedersachsen (ZHIN) beackern, vergraben in eine traditionell deutsche Bürolandschaft aus Resopaltischen, Aktenbergen und roten Ordnern, in denen Fotos abgeheftet sind, auf denen beispielsweise Überlandstromleitungsmaste zu sehen sind, versehen mit der Aufschrift "Kletterpark für Flüchtlinge".

So etwas verfolgen nicht nur die neun ZBHI-Fahnder in Hannover, sondern gleichartige Einheiten überall im Land. Auch die übrigen Bundesländer haben sich gleichartige Spezialstaatsanwaltschaften zugelegt, unterstützt von Sondereinheiten der Polizei, der sogenannte Mouse-Police.  Unetrstützend tätig ist zudem das Bundeskriminalamt mit seiner Nationalen Meldestelle für die Entfernung von Internetinhalten (NMSEI), parallel achten auch die Meinungsfreiheitsschutzabteilungen beim Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin auf Wahrheit und Klarheit bei . möglicherweise menschenfeindliche oder terroristische Inhalte im Netz.

Erfolgreiche "Aktionstage"

Sie alle, und das unterscheidet sie von den gewöhnlichen Ermittlungsgruppen, die froh und glücklich sind, wenn ihnen die von draußen hereinschneienden Aktenberge nicht über den Kopf wachsen, suchen auch proaktiv nach Tätern. Auf Online-Streife  durch Kommentarspalten, X-Threads und Telegram-Gruppen ist immer etwas zu finden, das sich als strafbar interpretieren und etwa im Rahmen der regelmäßig unter großem Medienapplaus begangenen "Aktionstage zur Bekämpfung von Hasspostings" öffentlich abstrafen lässt.

Es hat nur wenig geholfen. Über Jahre hinweg wurden Meldestellen aufgebaut, ein Netzwerk von staatliche finanzierten Hinweisgebern etabliert und zuletzt mit den "Trusted Flaggern" gar eine Wiederkehr der Freiwilligen Helfer der Volkspolizei gefeiert. Dazu kam eine europaweite Kritiklöschpflicht, das Verbot von Humor, wenn der Verdacht besteht, es könne sich um Hohn handeln, und eine Reihe von großen Demonstrativverfahren, mit denen Nachahmer von Meinungsäußerungen abgehalten werden sollten. 
 

Lückenlose Kontrolle

 
"Das Regime strebt lückenlose Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung an", hatte die Bundeszentrale für politische Bildung vor Jahren angeprangert. Sie meinte allerdings damals die Zustände in der DDR. Inzwischen ist die Mahnung gelöscht. Zu groß wäre die Gefahr, dass Meinungsäußerer vom Rand der Diskursbarrieren sich auf dergleichen Argumente berufen, um gegen einen behördlich zivilisierten Diskurs mobil zu machen.
 
Bei der ZBHI wird klug gedacht und hart gearbeitet, der Hass ist hier Alltag und ob nun aggressive Drohungen, Lügen und oder Karikaturen geteilt werden, einen Grund, nach den Urhebern zu fahnden, haben die Ermittler im vergangenen Jahr stolze 3.500 Mal gefunden. 
 
Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann und die allemal gut genug sein müsste, um nach außen abschreckend zu wirken: Gerechnet in Amtstagen, gehen der Mouse-Police täglich 15 Belästiger, Meinungsmissbraucher und Abweichler ins Netz. Grund genug für die bisher weitgehend verdeckt arbeitenden Meinungsfreiheitsschützer aus Hannover, für eine Reportage des US-Nachrichtensenders CBS erstmals einen Blick hinter die Kulissen der Brandmauer zu erlauben, die zwischen den Grundrechten und deren schrankenloser Nutzung errichtet wurde.
 

Alptraumhafte Bilder

 
Es sind alptraumhafte Bilder, die die Reporterin Sharyn Alfonsi ihren amerikanischen Zuschauern zeigt. So präsentiert Frank-Michael Laue stolz eine gute altdeutsche Hängeregistratur, in der sich die laufenden Hassfälle finden. Wie live darf das Publikum dabeisein, als eine Truppe der Landespolizei Niedersachsens morgens um 6:01 Uhr die Öffnung einer Wohnung erzwingt, damit sechs bewaffnete Beamte im Rahmen des "Aktionstages gegen Hassreden" Laptop und Mobiltelefon eines Mannes beschlagnahmen können, der verdächtigt wird, sich unrechtmäßig geäußert zu haben. 
 
In einem Interview fragt Sharyn Alfonsi auf amerikanische Weise naiv, wie betroffene Bürger auf ein solches Eindringen in ihre von den Grundrechten ganz besonders geschützte Intimsphäre reagieren.  Ein Satz von Matthäus Fink zeigt, wie falsch viele noch einschätzen, was erlaubt und was verboten ist: "Sie sagen ,Das wird man ja wohl noch sagen dürfen`'", formuliert der Staatsanwalt. Der dann gemeinsam mit seinen Kollegen herzhaft darüber lacht, dass ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ihre Grenzen findet, wo Fink, Svenja Meininghaus und Frank-Michael Laue zum Schluss kommen, dass Deutschlands scharfe Gesetze zur Meinungsäußerung hier greifen müssen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.
 

Die Welt soll es sehen

 
Die ganz Welt soll sehen, dass Deutschland durchgreift. Teil des Plans, Meininghaus, Laue und Fink so offenherzig vor der Kamera über die Geheimnisse der Hassbekämpfung sprechen zu lassen, war aber natürlich auch, die Menschen daheim zu beruhigen. Groß sind die Klagen über die Sicherheitslage im Land, Bürgerinnen und Bürger behaupten, sie trauten sich nachts nicht mehr auf die Straße. Andere schimpfen über Messerkriminalität und Autoattentate. Gut, dachten sie im Innenministerium in Hannover, wenn eine offene und ehrliche Reportage einmal zeigt, wie hart Verbrechen wirklich verfolgt werden - etwa, wenn jemand online beleidigt wird.
 
Die Reportage "Posting hateful speech online could lead to police raiding your home in this European country" hat alle Erwartungen erfüllt. Nur wenige Tage nach der spaltenden Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz ausgestrahlt, zeigt sie drei grundsympatische Gesetzeshüter, die als deutscher neuer Sheriff in der Stadt nicht nur Beleidigungen und Gewaltandrohungen, sondern auch die Verbreitung von Gerüchten und falschen Zitaten verfolgen. 
 

Ein aufmerksamer Apparat

 
Der Apparat, gefüttert durch staatlich finanzierte zivilgesellschaftliche Organisationen wie Hate Aid, springt an, wenn die großen deutschen Medien noch glauben, es handele sich um rechtspopulistisches Verschwörungsgeraune. Schon beim Weiterleiten eines Memes, das der Weiterleiter guten Glaubens für treffend halte, das aber nicht korrekt sei, handele es sich um ein Verbrechen, stellt Svenja Meininghaus klar. Es gilt der alte Spruch vom Hehler, der kein Deut besser ist als der Stehler: "Ja, im Fall des Repostens ist es auch ein Verbrechen, weil der Leser nicht unterscheiden kann, ob Sie das gerade erfunden oder repostet haben. Bei uns ist es dasselbe."
 
Die Strafen, die das gemeinhin recht milde deutsche Justizsystem für solche Straftaten vorsieht, sind hart. Hohe Geldstrafen drohen schon Ersttätern für die Verwendung von Begriffen wie "Schwachkopf" oder "Hofnarr". Wiederholungstäter  müssen sogar damit rechnen, ins Gefängnis zu wandern. Als besonders wirksam aber hat sich Frank-Michael Laue zufolge eine eigentlich ursprünglich nur als strafprozessuale Maßnahme gedachter Eingriff erwiesen. Wenn man ihnen ihre Telefone, Rechner und Tablets wegnehme, um Beweise für die anstehenden Strafprozesse zu sichern, seien sie "schockiert. Es ist eine Art Bestrafung, wenn man sein Smartphone verliert. Es ist sogar noch schlimmer als die Geldstrafe, die man zahlen muss."
 

Die Strafe schon vor dem Prozess

 
Dazu das morgendliche Eindringen in die Wohnung, der Rufschaden, wenn sich die Ermittlungen herumsprechen, und das - angesichts der in Deutschland langsam mahlenden Justizmühlen  - über Jahre bestehende Prozessrisiko - vielen, die bisher sorglos in der Online-Welt unterwegs waren, ist das Wirken der Online-Task-Forces zur Bekämpfung von Hass heute schon Warnung genug, sich zurückzuhalten oder ganz auf Online-Kommentare zu verzichten. 
 
Ein schöner Erfolg, auch wenn Ewiggestrige sich entsetzt geben und Anwälte empört nach rechtlichen Schritten gegen die Übergriffigkeit der Amtsträger rufen. So lange Deutschland und die EU noch auf die US-amerikanischen Netzwerke angewiesen sind, wird es stets dauern, bis notwendige Änderungen an Algorithmen und Streichungen von zweifelhaften Inhalten über den langen Rechtsweg per Bundesnetzargentur und EU-Kommission vorgenommen werden. 
 

Knallharte Grenzen

 
Bis die EU sich eigene Netzwerke geschaffen hat, rechtssicher, mit Behördenbackup in Echtzeit und E-Ausweispflicht, bleibt es mutigen Frauzen und Männern wie den Mitarbeitenden der ZHIN überlassen, Grenzen für eine Meinungsfreiheit zu ziehen, die sonst missbraucht würde, um freie Rede ohne Grenzen zu praktizieren. 
 
"Doch freie Rede braucht grenzen", betont die Rechtsanwältin Josephine Ballon, die beim staatlich finanzierten Portal Hate Aid als Head of Legal auf die Einhaltung der Grenzen achtet, die das Grundgesetz vorgebe, wie sie sagt. Ohne solche Schranken, malt sie eine dystopische Parallelwelt an die Wand, könnten ganz kleine Gruppen von Menschen bestimmen, was gesagt werden dürfe und was nicht. Das vertreibe die große Mehrzahl aus der Debatte, wei, sie Angst vor Konsequenzen habe, wenn sie ihre Meinung offen äußere.

Antwort an Amerika: Aufmarsch der EU-Armee

Der alte Traum von der Europaarmee lebt wieder auf: Die marode Bundeswehr könnte an der Seite kampferprobter ukrainischer Truppen endlich kriegstüchtig werden.
Der alte Traum von der Europaarmee lebt wieder auf: Die marode Bundeswehr könnte an der Seite kampferprobter ukrainischer Truppen endlich kriegstüchtig werden.

Zum zehnten Jahrestag holte der ukrainische Präsident die alte Idee wirklich wieder aus der Tonne. Eine "EU-Armee", seinerzeit erfunden vom damaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, hatte immer ihre Freunde, so etwa den später so tragisch gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz und seinen Nachfolger Olaf Scholz

Für die SPD war diese "28. Armee" (Der Spiegel) immer reizvoller, als die malade Bundeswehr auf gesunde Beine zu stellen. Schön auch der Gedanke, die frischen Divisionen direkt der Kommission in Brüssel zu unterstellen. Ein möglicher Einsatz würde dann von  Bürokraten entschieden. Kein dritter verlorener Krieg fiele der Politik auf die Füße.

Kleine rechtliche Hürde

Wie sich die kleine Hürde umschiffen lassen könnte, dass die Väter der Wiederbewaffnung den weitgehend ungedienten Volksvertretern im Bundestag die Kontrolle über die Armee in die Hand gelegt hatten, erwähnten weder Schulz noch Scholz, Juncker schon gar nicht. Ob der große Graue mit den bunten Schuhen sich bei seiner Forderung nach der Gründung einer gemeinsamen europäischen Armee der Problemlage bewusst war, ist nicht bekannt. 

Juncker ging es aber auch nicht wirklich um eine einsatzfähige Truppe, sondern um die Vermittlung des "klaren Eindrucks" an Russland, "dass wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union" und ein "Mittel gegen den Ansehensverlust" (Juncker).

"Demokratische Verständigung"

Als Scholz dazustieß, sechs Jahre später, war er sich der Problematik durchaus bewusst. Die neue europäische Armee müsse "genauso stark legitimiert sein wie heute die Bundeswehr als Parlamentsarmee". Die anfangs angedachte Truppenstärke von 1.500 Soldaten (tausendfünfhundert) reiche nicht, der geplante "Verteidigungskommissar" als Chef der Verfügungstruppe müsse die Einsatzentscheidung mit den Mitglied­staaten abstimmen und sie einem ebenfalls zu schaffenden Aus­schuss des Europäischen Parlaments (EP) vor­legen.

Die "demokratische Verständigung" (Scholz) über Finanzierung und Legitimation künftiger europäischer Militäreinsätze müsse also "in europäischen Gremien stattfinden, zu denen sicherlich auch das Europaparlament gehört". Der Bundestag dann nicht mehr. Die "Parlamentsarmee", seit 1956 in der Wehrverfassung geregelt, wäre Geschichte, schade aber, so Scholz: "Für mich gehört eine gemeinsame Armee zur Idee der europäischen Souveränität", ließ der frühere Zivildienstleistende wissen. 

Oldies, but Goldies

Die 181.000 Uniformträger, darunter mehr als 200 Generale und Admirale, 39.000 Offiziere, 95.000 Unteroffiziere und - immerhin - 46.000 einfache Soldaten mit einem Durchschnittsalter von etwas mehr als 33 Jahren würden nach diesem Plan mit einem Aufgehen in einem EU-Großheer an der Seite von Franzosen, Italienern und Luxemburgern kräftig an Kampfkraft gewinnen. Die derzeit einsatzfähigen zwei Divisionen wären schlagartig viel mehr wert.

Eine Perspektive, die der ukrainische Präsident Volodymyr Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz aufgegriffen hat. Sein Vorschlag zur Gründung der guten alten EU-Armee würde aber gleich auch noch das ukrainische Militär integrieren. Das habe Kampferfahrung, die Europäer die "Ressourcen" (Selenskyj). Gemeinsam unaufhaltsam. Und endlich einsatzbereit ohne die Fesseln  der lästigen rechtlichen Grundlagen der "Parlamentsarmee in der demokratischen Bundesrepublik" (BMVG).

Kriegstüchtige Europaarmee

Vor 70 Jahren gescheitert, könnte die "Europaarmee" (Bundeszentrale für politische Bildung) Europas ersehnte Antwort auf die Kriegserklärung des US-Vizepräsidenten J.D. Vance sein und die noch kasernentauglichen Teile der Bundeswehr endlich "kriegstüchtig" (Boris Pistorius) machen. Eine Europäische Verteidigungsunion würde die Lücken durch in Deutschland fehlende Panzer, Flugzeuge und Drohnen durch die in Frankreich, Italien und Portugal fehlenden ersetzen. Auch in Amerika würde die neue Streitmacht mit ihren 1,3 Millionen Soldaten und fast 4.000 Panzern für Hochachtung sorgen.

"Ein europäischer Konter nach allen Regeln der Kunst", schwärmt die Süddeutsche Zeitung. Eingeladen zum ersten Vorbereitungstreffen in Paris waren zwar mit Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, den Niederlanden, Dänemark zwar nur sieben der 27 EU-Staats- und Regierungschefs, dazu der Chef der Nato und die Chefin der EU-Kommission, so dass sich der Waffen- und Wertepartner Luxemburg umgehend beklagte.

Doch in kleinen Runden lasse sich "deutlich effizienter arbeiten lässt als in großen", hat die "Tagesschau" den Gipfel der Großen und Mächtigen unter Ausschluss der Mehrzahl der EU-Staaten und Nato-Verbündeten flugs begründet. Gelingt es, Washington eine Nachricht zu übermitteln, ist das genauso schnell zu verschmerzen wie das künftig fehlende bisschen parlamentarische Kontrolle.

Montag, 17. Februar 2025

Wahl-O-Rat®© zur Bundestagswahl: Er ist wieder da

Die EU ist aufgefordert, Waffen und Männer, Panzer und Geschütze durchzuzählen. Die Fernsehsender trauern mit dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, die womöglich gerade zum letzten  Mal stattgefunden hat. Die Führer der wahlkämpfenden Parteien duellieren sich allabendlich im Hauptprogramm, engagiert, bienenfleißig, mit rauer Stimme, aber unverdrossen munitioniert mit Zahlen, selbstausgedachten Plänen für ganz viele Sondervermögen, wichtige neue Steuern und höhere Abgaben, die neue Entlastungswellen für die hart arbeitende demografische Mitte finanzieren sollen.

In der Wagenburg

Die Umfrageergebnisse der großen Institute zeigen seit Monaten schon keine Reaktion mehr. Als sei der Homo politicus gestorben, bevorzugen es die Deutschen, in ihren Wagenburgen aus Vorurteilen, Gewohnheiten und verinnerlichter Ablehnung gegen alles Neue zu sitzen und dem Niedergang zuzuschauen. Nicht einmal, wenn ein Kanzler einen schwarzen Mann das "Feigenblatt" einer fast völlig reinweißen Partei nennt, zuckt mehr etwas. Nicht einmal, wenn der Wirtschaftsminister sein eigenes Scheitern mit dem Satz eingesteht, man befinde sich nun doch in einer "strukturellen Krise", kommen Zweifel auf, ob dieser Politiker weitermachen sollte.

Überschäumendes Vertrauen genießt keiner der Spitzenkandidaten. Jeder einzelne profitiert überwiegend von der teils leidenschaftlichen, teils verzweifelten Ablehnung seiner Wettbewerber in der eigenen Fankurve. Wie nie zuvor ist die Bundestagswahl eine Abstimmung über einzelne Personen. Die Parole Ich ist bei nahezu allen Vertretern aller Parteien wichtiger als Inhalte, Pläne oder Versprechen. Kaum eine Rolle spielen die Parteien, an deren Abschneiden die Kandidaten letztlich gemessen werden. Gesichter sollen es richten, der "Sie kennen mich"-Wahlkampf Angela Merkels prägt ein Wettrennen der Lahmen, Tauben und Selbstzufriedenen. 

Waffe in der Wahlschlacht

Wie wird es also ausgehen? Wer wird sagen, dass er gewonnen hat? Und wer wird siegen? Ein Team von Mitarbeitern des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung (AIAE) unter Forschungsleiter Hans Achtelbuscher schickt nach einigen Jahren der kreativen Pause ein besonderes Tool zurück in die Wahlschlacht: Der Wahl-o-Rat®© hatte in der Merkel-Ära mehrfach versucht, auf dem Wege der Experimentaldemoskopie ähnlich wie die großen, überfinanzierten Umfrageinstitute Einfluss auf den Ausgang der Bundestagswahl zu nehmen. Äußert erfolgreich: Die von engagierten Teilnehmer kollektiv vorausgeahnten Ergebnisse lagen deutlich näher am tatsächlichen Ausgang der Bundestagswahlen von 2017 als alle Prognosen sogenannter "Meinungsforschungsinstitute".

Der Wahl-O-Rat®© verdankt seinen Erfolg einem innovativen Ansatz: Mithilfe des von AIAE entwickelten PPQuotionen-Systems stimmen Teilnehmer nicht darüber ab, wie sie selbst wählen werden. Sondern sie sind aufgerufen einzuschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Parteien bestimmte Schwellenwerte überschreiten oder unterschreiten. Ziel ist es, durch die kollektive Intelligenz der Teilnehmenden eine möglichst präzise Annäherung an das tatsächliche Wahlergebnis zu erzielen. 

Wirklichkeit statt Wünschen

Anders als bei klassischen Umfragen geht es nicht darum, die eigene Wahlpräferenz oder Wunschvorstellung anzugeben, sondern eine möglichst objektive Prognose abzugeben.  

Bei seiner ersten Ausgabe bewies der Wahl-O-Rat®© trotz technischer Herausforderungen seine Stärke. Die Plattform, bereitgestellt von einem großen amerikanischen Internet-Unternehmen, war anfällig für russische Bots sowie Doppel- oder Teilabstimmungen. Dennoch konnte die kollektive Klugheit die Schwächen der Technik überwinden und die Akkuratesse ihrer Endprognosen stellte die Ergebnisse der etablierten Wahlforscher deutlich in den Schatten. Die Vorhersagen des bürgerschaftlich engagierten Tools schnitten mit einer kumulierten Gesamtabweichung von 7,3 Prozent vom tatsächlichen Ergebnis deutlich besser ab als renommierte Institute wie Infratest Dimap (7,9 Prozent Abweichung) oder die großen Namen der Kaffeesatzleserei, die wie Insa, Forsa und FGW teils zweistellig danebenlagen.

Damit bewies das der Wahl-O-Rat®©, dass gesunder Menschenverstand in der Lage ist, professionelle Prognosemodelle zu übertreffen. Für die Bundestagswahl 2025 ist der Wahl-O-Rat®© optimiert worde, um technische Schwächen zu minimieren und die Genauigkeit weiter zu steigern. PPQ und AIAE laden alle Interessierten ein, Teil dieses einzigartigen Experiments zu werden und die Zukunft der Wahlprognosen mitzugestalten. 

Versteckte Wahlkampfbotschaften: Vom Wir zum Ich

Verborgene Botschaften im Wahlkampf: Aus dem "Wir" ist ein "ich " geworden.

Ihr Bier war immer das "Wir". Politiker aller Parteien hatten die Kollektivvokabel entdeckt und zu ihrer Magd gemacht. Sätze, die mit "Wir müssen" begannen, waren über Jahre hinweg das Graubrotfrühstück im politischen Berlin. Wer "Wir" sagte, wusste genau, was die Menschen wollen würden, hätte er sie vorher gefragt. Wer das "Wir" besaß, hatte eine sichere Mehrheit hinter sich. Das Wir war überall. Ohne Wir kein hier.

Das "Wir" als Fundament

Nicht nur traditionell kollektivistische Parteien wie die Linke, die SPD, die AfD und die Grünen bedienten sich am Büfett des großen Ganzen. Auch die früheren Konservativen führten Wahlkampf mit der Schicksalsgemeinschaft, die nicht widerspricht, wenn man sich auf sie beruft. Das Wort "Wir" war damit das neue Fundament, auf dem das politische Berlin gebaut war. Jeder war wir, alle waren alle und sie sprachen für jeden, der nicht widersprach.

 "Wir müssen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser, als gemeinsam mit dem später wegen parteipolitischer Umtrieb über Nacht in den Ruhestand versetzten Innengeheimdienstchef Thomas Haldenwang die Notwendigkeit begründete, auch die zu entdecken und zu schnappen, die sich nicht strafbar machen. "Wir müssen", sagt Robert Habeck, seitdem er seine Rolle eher elastisch interpretiert, "Wir müssen", glaubt Christian Lindner. "Wir müssen" ist auch Olaf Scholz sicher und Friedrich Merz ohnehin.

Prägend für die Menschengemeinschaft

Fast schien es schon, als habe das große "Wir", das die sozialistische Menschengemeinschaft im Ostblock bis 1990 hatte prägen sollen, das aber nie wirklich geschafft hatte, mit Verspätung doch noch gewonnen. Im Grundsatzprogramm der Union kommt das "Wir" 686 Mal vor, im neuen "Regierungsprogramm" genannten SPD-Wahlprogramm sogar 1.032 und bei den Grünen 1.100 Mal. Niemals war mehr Wir, seit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit einem "Wir für bezahlbare Mieten", "mehr Kitaplätze" und ein "Alter ohne Armut" zum Scheitern antrat und die AfD behauptete "Wir sind das Volk".
 
Wie sehr der Eindruck täuscht, zeigen versteckte Botschaften, die sich in sämtlichen Kampagnen zur Bundestagswahl finden. Enttäuscht von der vielerorts fehlenden Begeisterung für Kollektivismus und Massenbewegung, nehmen die Wahlkämpfer subtil Anleihen bei den eher selbstbezogenen Inszenierungen der Generation Ich: Robert Habeck betont nicht nur das "ein" in seinem Slogan "ein Mensch, ein Wort", er plakatiert auch "Zuversicht", einen Begriff, der zweifelsfrei nicht zufällig das "Ich" enthält, jenes Schlüsselwort, von dem das Denken der Selbstsüchtigen bestimmt wird.

Versteckte Botschaften

Friedrich Merz hat das kaum weniger sacht gekontert: Der CDU-Chef tritt am liebsten auf Bühnen mit dem ausgeschriebenen Parteinamen auf. Im "christlich" versteckt die Union ihr "Ich". Lindner von der FDP und Olaf Scholz, der scheidenden SPD-Kanzler, halten es ähnlich: Beide haben sich mit einem "Ich" im Hintergrund ablichten lassen. Klare Botschaft: Wir reden vom Wir. Doch was ich meine, bin ich.

"Ich werde weiter Klartext sprechen", sagt CDU-Kandidat Friedrich Merz. "Kann ich auf Dich zählen?", fragt Robert Habeck. "Ich bitte um Ihr Vertrauen", heißt es bei Olaf Scholz. "Ich habe nichts gewusst", schwört Christian Lindner. 

Auffällig ist, dass Sahra Wagenknecht und Alice Weidel, die beiden weiblichen Spitzenkandidierenden, das "ich" vermeiden. Ein kulturelles Muster, das zeigt, wie viel besser und gemeinschaftlicher es laufen würde, wenn sich die Prioritäten mit einer größeren Beteiligung von Frauen* in der Politik verändern dürften und eine ausgeprägtere Darstellung vieler Lebensrealitäten sichergestellt wäre - statt nur das Ich-Programm zu fahren.

Sonntag, 16. Februar 2025

Avantgarde mit Alu-Hut: Bauschaum, Bots und wirre Parolen

Aluhut-Träger im Gemeinsinnfunk sind davon überzeugt, dass Russland mit gedungenen Geflüchteten für Verunsicherung bei deutschen Wählern sorgen will.

Auf gefälschte Websites angesehener deutscher Publikationen waren die deutschen Wahlkämpfer gefasst. Auf russische Botarmeen, Trollfabriken, die Schleppanker der Schattenflotte, die so taten, als würden sie Internetkabel sabotieren, sich dann aber als schuldlos herausstellten. 

Hätte der Russe vor der Bundestagswahl die Versorgung Deutschlands mit Kunstdünger eingestellt, Robert Habeck hätte einen Ausweg gefunden. Hätte er den amerikanischen Präsidenten Donald Trump überredet, die Europäer beim Friedenschließen in Europa an den Katzentisch zu setzen, Berlin und Brüssel wären gewappnet gewesen.

Vermutungen im Gemeinsinnfunk

Der Kreml aber, das zeigen Vermutungen, die im Gemeinsinnfunk die Runde machen, hatte sehr viel perfidere Pläne, um Deutschlands Schicksalswahl zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Die Desinformationen verbreiteten sich weitgehend organisch, die Parteien selbst setzen auf Social Media Manipulation und die automatisierte Ausnutzung von Algorithmen durch Online-Abteilungen. 

Der Bundeskanzler selbst schrieb die Weltgeschichte kühn um und ließ die Deutschen selbst zu den Erfindern ihrer Demokratie werden. Die Außenministerin skizzierte eine alternative Version der Ereignisse, die die Demokratie nach Deutschland brachten. Der Verteidigungsminister versuchte sich als Verteidiger der strengen europäischen Version von Meinungsfreiheit und free speech. Und bestätigte mit der unglücklichen Formulierung von den "nicht akzeptablen" Ansichten des amerikanischen Vize-Präsidenten ungewollt dessen Vorwurf, die EU akzeptiere nur Meinungen, die ihr in den "Kram" (Robert Habeck) passten.

Russlands neue Hinterlist

Russland, der hinterlistige Feind im Osten, profitierte, ohne etwas getan zu haben. Erst nach und nach und durch hellwache Journalisten bei WDR, ZDF und Phoenix wird deutlich, wie der Kreml unerkannt doch wahlentscheidend eingreift: Die Welle der tödlichen Anschläge, die Deutschland seit Monaten überrollt, soll nach Ansicht führender Sicherheitsexperten wie Marietta Slomka, Isabel Schayani und Jörg H. Traubroth aus Russland gelenkt gesteuert worden sein. 

Eine Verschwörungstheorie, die in Gegensatz zu anderen, die als Fake News, Desinformation und bizarrer Aberglauben gelten, schnell höchste Weihen bekam. Allzu auffällig sei die zeitliche Abfolge. Immer kurz vor einer Schicksalswahl schlage ein Afghane zu, der manchmal zwar auch ein Saudi war und so gar nicht wenige Tage vor einer Wahl. Aber überzeugte Verschwörungsgläubige nehmen seit jeher, was sie bekommen können - und so tun es auch diese aus der Mitte der hart arbeitenden Mitte der Bionadeviertel der Berliner Republik.

Perfekte Pläne

Belege, das gehört sich so, gibt es keine. Gerade das aber deutet auf die Perfektion von Putins Plänen hin. Diesmal hat der Kremlherrscher nicht KI-Bots polarisierende innenpolitische Themen brüskierend und provozierend verbreiten lassen, sondern Geflüchtete gedungen, um Deutschlands unerwartete Resilienz gegen ausländische Einflussversuche zu überwinden. Der Mangel an Fakten dämpft das Raunen kaum. Gerade das Fehlen aller greifbaren Indizien dafür, dass Russlands versucht, die Wahl zu beeinflussen, belegt, dass viel dafür spricht, dass Putin Geflüchtete zur Waffe gegen die offene Gesellschaft macht.

Der Plan geht auf. Standen SPD, Grüne und die anderen demokratischen Parteien nach Mannheim, Solingen und Magdeburg noch stabil und regungslos gegen überhastete Maßnahmen zehn Jahre nach Angela Merkels "Grenzöffnung" (Barack Obama), verlor die Union schon nach Aschaffenburg die Nerven. 

Die SPD hält durch

Aus dem geplanten Steherrennen bis zum Wahltag wurde ein Hauen und Stechen  mit gegenseitigen Beschimpfungen, dem Heraufbeschwören des Zusammenbruchs der demokratischen Ordnung und Massenkundgebungen gegen die Partei, die Deutschland ein halbes Jahrhundert regiert hat. 

Nach München erst knickte auch die SPD ein und bot der ehemals konservativen Konkurrenz einen Deal an: Weil das Thema den Wahlkampf unzulässig belaste, müsse nun gemeinsam gehandelt werden. "Egal, ob wir uns im Wahlkampf oder in Zeiten der Regierungsbildung befinden, die demokratischen Parteien müssen bei diesen Herausforderungen zusammenarbeiten und richtige Konsequenzen ziehen, die die Sicherheitslage verbessern", hat Parteichef Lars Klingbeil die Sozialdemokratie für eine kommende Große Koalition mit Rot und Grün angeboten.

Hoffnung auf den Alu-Hut

Auch die Hoffnungen des neuen starken Mannes in der Partei richten sich darauf, den Richtigen die Schuld nachzuweisen. Eine russische Spur zu den afghanischen Tätern der Anschläge der vergangenen Monate könnte die wieder und wieder gescheiterte Politik der offenen Grenzen, die Schwarz, Rot, Grün und Gelb im letzten Jahrzehnt betrieben haben, nachträglich legitimieren. Niemand dürfte mehr behaupten, Merkel, Scholz, Altmaier, Lindner, Habeck, Baerbock und all die anderen hätten nicht gewusst, was sie taten. 

Woher denn auch? Keine Beschwörung von Vielfalt und Inklusion kann berücksichtigen, dass eine fremde Macht gezielt nicht nur mit Bauschaum und KI-gesteuerten Bots angreift, sondern auch mit der Flüchtlingswaffe, die schon lange vor Putins Angriff auf die Ukraine als "instrumentalisierte Migration" und "Weapons of Mass Migration" bekannt geworden war. 

Der Russe könnte helfen

Schön wäre es, wenn es sie wirklich gäbe. Dass nicht nur Angela Merkel, sondern auch ihr Nachfolger im Amt alle Versuche unterlassen hat, "auf Experten und die Erkenntnisse in den Sicherheitsbehörden" zu hören und "wirksame Maßnahmen" (Lars Klingbeil) gegen den "Zustrom" (Merkel) zu ergreifen, wäre dann kein Versäumnis, jedenfalls kein großes, unverzeihliches. Sondern eine lässliche Sünde vom Ausmaß einer peinlichen Panne: Die Hoffnung auf eine europäische Lösung, von Angela Merkel drei Jahre nach dem Auftakt zur deutschen Blutauffrischung für "in 14 Tagen" versprochen, steht auch 2435 Tage später noch aus. 

Aber sollte Olaf Scholz noch einmal Kanzler werden, würde es nicht mehr lange dauern. Umgeknickt im gedrehten Wind würden sogar die Grünen der noch ausstehenden nationalen Umsetzung der großen GEAS-Reform auf der Grundlage des 14. Zehn-Punkte-Planes zur humanen Begrenzung von irregulärer Migration" vom Sommer 2024 zustimmen. 

Gedungene Geflüchtete

Dass der Russe vor der deutschen Schicksalswahl sogar in Österreich Afghanen dingt, die Kinder ermorden, will nur auf den ersten Blick nicht ins Raster der bestellten Angriffe gegen die deutsche Willkommenskultur passen. Ähnlich wie die vermeintlichen Angriffe der Schattenflotte auf die Internetkabel der EU geht es dem Kreml darum, Unsicherheit zu schüren und die führenden Politiker Europa unglaubwürdig zu machen, indem ihnen Fake News untergeschoben werden. 

Das gelingt verblüffend gut: So warnte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach den ersten Gerüchten über Angriffe mit russischen Ankern auf die kritische Infrastruktur umgehend vor "weiteren Sabotageakten". Als sich herausstellte, dass es keine Sabotageakte gegeben hatte, schwieg die frühere Grünen-Chefin, statt die Öffentlichkeit über ihr vorschnelle Warnung aufzuklären und ihren Irrtum richtigzustellen.

Alternativlose Lösungen

So arbeiten die Kreml-Agenten in Ländern, deren Ideologie auf alternativlose Lösungen setzt. Das bedingungslose Entweder/Oder, auf dem deutsche Politik seit Angela Merkels Ankündigung der endgültigen Richtigkeit ihrer Absichten setzt, macht ein leicht, aus ganz normalen kleinen Zweifel oder leicht abweichenden Ansichten Spaltpilze zu züchten, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt sprengen können. 

Wo jeder Widerspruch unter Verdacht gestellt wird, sich der politische Witz als "Hohn"  denunziert sieht und eine ganze politische Klasse ihr eigenes Scheitern nicht sich selbst, sondern der Uneinsichtigkeit der Wählern zuschreibt, braucht es nicht einmal wirkliche Angriffe von außen, weil die Behauptung, es gebe sie, wirksamer ist als jede tatsächlich existierende Trollarmee.

Der geflüchtete Afghane, der in Deutschland Schutz sucht undgewährt bekommt, sich dann aber gegen seine neue Heimat wendet, zerstört das in den deutschen Bionadevierteln gepflegte romatische Bild vom edlen Wilden, der dankbar ist dafür, Teil der hiesigen Hochkultur sein zu dürfen, ohne sie als Leitkultur anerkennen zu müssen. Um sich den kapitalen Irrtum nicht eingestehen zu müssen, dass die Welt keineswegs so ist, wie sie sich der Narrensaum der "Wir haben Platz"-Propagandisten vorstellt, käme Putin gerade recht. 

Neuer Lack für alte Ablenkungsmanöver

Die gewohnten Ablenkungsmanöver aus der demokratischen Mitte, die entweder nichts mehr von früher wissen will wie die CDU oder wie Grüne. FDP und SPD zusichert, noch nie etwas davon gewusst zu haben, bekämen durch die Entdeckung demokratiefeindlicher russischer Sabotageversuche eine Lackschicht, die sie noch einmal glänzen ließen.

Ungeachtet der Tatsache, dass Deutschland angesichts seiner geschwundenen Weltgeltung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin kaum mehr Bedeutung hat als Portugal, Mexiko oder Honduras, wüsste der Kreml mit Blick auf die aktuellen Angebote der Parteien ohnehin kaum, mit welcher er wohl noch besser fahren würde als mit der verbliebenen Fußgängerampel-Koalition. Selbst wenn Sahra Wagenknecht Kanzlerin würde - wäre es ihr möglich, die Wirtschaft noch schneller gegen die Wand zu fahren? Die Bürger noch gründlicher in Verzweiflung zu stürzen? Die Grundrechte gezielter mit Füßen zu treten? 

Die gleichen Reflexe

"Immer gleiche Reflexe, die solche Taten nicht vereiteln können, helfen nicht", hat Lars Klingbeil mit Blick auf die desaströsen Umfragezahlen seiner Partei eine Woche vor der Bundestagswahl gemahnt und dabei alles genannt, was aus Sicht seiner Partei helfen würde. "Jetzt", so der kommende starke Mann der deutschen Sozialdemokratie, müsse es "um die Sicherheit der Menschen gehen, nicht um Parteiprofilierung", beharrte der 46-Jährige darauf, dass Wählerinnen und Wähler seiner Partei nach 21 Jahren Regierung und Mitregierung im letzten Vierteljahrhundert endlich eine neue Chance geben müssen, sozialdemokratische Positionen in praktische Politik zu übersetzen.

Und so wird es kommen. Auf den deutschen Wähler ist Verlass, das wussten  schon die vormalige SED, die heute als "Linkspartei" wieder Chancen hat, weiter vom verhassten demokratischen System profitieren zu können. Kurz vor ihrem Untergang hätte die DDR-Staatspartei ihre Wahlen nicht fälschen müssen, um sie zu gewinnen, denn 95 Prozent der getreuen DDR-Bürger machten ihr Kreuz auch so bei den Kandidaten der Nationalen Front. 

Aus Unkenntnis der Stimmungslage, die Honecker und Co. als viel schlimmer einschätzen als sie war, glaubte das Politbüro allerdings, es müsse fälschen lassen, um sich nicht zu blamieren. Aus der Fälschung wurden die ersten Protesten. Aus den Protesten massenhafter Unmut. Der Unmut gebar den Untergang.

Aufstand gegen Amerika: Tapetenkuttes Wiederkehr

Scholz rüffelt Vance. Der Kanzler trifft damit über Bande den neuen US-Präsidenten Trump, von dem er weiß, dass er Deutschlands Arbeitern ihre Villen wegnehmen will.

Daniel Eliasson vom #TeamHabeck, Ortsgruppe Berlin-Zehlendorf, war fassungslos. So weit sei die Kontrolle der Meinungsfreiheit im Land bereits verloren gegangen, dass deutsche Blätter die "brandgefährliche Rede" des US-Vizepräsidenten J.D. Vance im Wortlaut veröffentlichen dürfen - "ganz ohne Einordnung oder Gegendarstellung", empörte sich der Büroleiter der Berliner Grünen-Abgeordneten Tonka Wojahn.  

Abteilung Attacke

Eliasson ist nebenher stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen in Stadtteilparlament Steglitz-Zehlendorf und dort die "Abteilung Attacke" (Eliasson) der parlamentarischen Klima- und Demokarteibewegung. Zeitenwende. Tabubruch. Amerikaner, die mitten in Deutschlands früherer Hauptstadt der Bewegung einfach sagen, was sie denken!

Wo bleibt denn da die Rücksicht des Verbündeten? Warum meinen Amerikaner, nur weil ihre Demokratie 173 Jahre älter ist und noch nie von inneren oder äußeren Extremisten ausgehebelt wurde, sie könnten Deutschland, dem Geburtsort zweier Diktaturen und zweier Weltkriege gute Ratschläge erteilen? Und wieso ist es in Deutschland immer noch erlaubt, Reden von US-Vizepräsidenten zu zitieren, ja, sie in Gänze öffentlich zu machen?

Einmischung ja, aber nicht so

Eliasson, als studierter Medienmanager auch versierter Völkerrechtler, wirft diese wichtige Frage nicht nur auf, er beantwortet sie auch. Niemals dürfe eine solche "Einmischung von außen in die Bundestagswahl weiterverbreitet werden", denn es handele sich bei Vance' Anmerkungen nicht um Ermahnungen, Warnungen oder auch nur Hinweise auf eine mögliche Gefahr für die Verfasstheit der größten Staatengemeinschaft der Menschheitsgeschichte. Sondern um einen "feindseligen Akt gegen die Bundesrepublik". 

Das muss ein freies Land nicht dulden, denn die Vizepräsidentin des deutschen Bundestages hat bereits entschieden, wie weit die Meinungsfreiheit strapaziert werden darf: "Wir sind ein freies Land, eine Demokratie. Hier kann jeder sagen, was er oder sie will. Und muss – auch das Demokratie – mit Widerspruch rechnen". Katrin Göring-Eckardt, die nach langer, vergeblicher Suche nach einem Parlamentspoeten inzwischen immer wieder selbst in diese Rolle schlüpft, meint damit, dass jeder "Schwachkopf" sagen kann. Er muss eben nur gut überlegen, ob er es sich finanziell leisten kann.

Freiheit durch Sperrung

Widerspruch muss nicht verbal sein. Er kann auch als Sperrung der Online-Konten, Hausdurchsuchung oder Anklage wegen Hohn oder Falschzitat erfolgen. Auch die Amerikaner haben das schließlich lange so gesehen. Viel wichtiger als dass jeder sagen kann, was er denkt, war es der Biden-Administration, dass jeder das Richtige denkt. Dass die neue US-Regierung ein anderes Weltbild hat als "wir", wie es Walter Steinmeier für die gesamte europäische Linke formuliert hat, mag manchem gefallen.

Doch für Deutschland wie für Europa gelten weiterhin die "etablierten Regeln" (Steinmeier). Die USA darf alles, sie darf sogar einen deutschen Außenminister dazu zwingen, die Verschleppung deutscher Staatsangehöriger durch US-Dienste zu akzeptieren, die Verfassung zu brechen und unabhängige Parlamentarier zu einer "am Staatswohl orientierte Zusammenarbeit"  in einem Untersuchungsausschuss zu mahnen. 

Denn das Ziel, dass "hochrangige staatliche Interessen keinen Schaden erleiden", wie es Steinmeier den Abgeordneten einst nach Recherchen des Bundesverfassungsgerichtes aufgab, mag "zum Teil verfassungswidrig" (Verfassungsgericht) gewesen sein. Aber so lange es nicht öffentlich bekannt wird, ist nichts dagegen zu sagen. Und selbst wenn, steht dem Dulder von Folter und rechtswidriger Inhaftierung immer noch das höchste Staatsamt offen.

Scholz rüffelt scharf

Scholz hat sich Vance umgehend vorgenommen und ihn "gerüffelt" (Spiegel). Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock lobte Polen dafür, dass dessen Streitkräfte die Demokratie nach Deutschland brachten. Ihr grüner Ministerkollege Robert Habeck bügelte den US-Vizepräsidenten knapp ab: "Kümmere Dich um Deinen eigenen Kram".  

Die Amerikaner sollen Deutschland vor den Russen schützen, ihm soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Internetkaufhäuser und Cloudspeicher zur Verfügung stellen. Aber sich nicht einmischen, wie es  deutsche Politikergewohnheit bei Wahlkämpfen in aller Welt geworden ist. Volker Wissing, parteiloser Minister vor dem Abschied, warnte "Wer glaubt, europäische Regeln könnten von außen diktiert werden, irrt gewaltig." Denn das von außen diktierte Zwei-Prozent-Ziel bei der Aufrüstung meint er damit nicht, auch nicht die erhöhte Zielmarke von drei oder fünf Prozent. 

Große Momente der DDR-Geschichte

Berlin und Brüssel orientieren sich an großen Momenten der deutschen Geschichte. SED-Politbüromitglied Kurt Hager war es, der zwei Jahre vor dem Zusammenbruch der sozialistischen Diktatur auf dem SED-Weg zu einer ostdeutschen Definition von Meinungsfreiheit festhielt. "Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?", beschrieb er, warum das DDR-Politbüro den "übergriffigen" Empfehlungen aus Moskau, mehr Freiheit zu gewähren, nicht entsprechen werde.

In Artikel 27 der Verfassung der DDR war das uneingeschränkte Recht, seine Meinung frei zu äußern, garantiert. "Diese Freiheit wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt; niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht", hieß es anfangs sogar. Gemeint waren natürlich nur Ansichten, die den "Grundsätzen der Verfassung" entsprachen, also kompatibel war mit den staatsoffiziellen Vorgaben der SED waren. Als der große Bruder Sowjetunion zu tapezieren begann, verbot die SED das sowjetische Magazin "Sputnik". Was nicht sein sollte, durfte auch nicht gesagt werden.

Unbestrittenes Demokratiedefizit

Friedrich Merz, nach seinem Pokerspiel um die Zustrombegrenzung später Sieger, setzt erneut alles, um zu zeigen, dass er die, die er gerade gewonnen hat, auch wieder verlieren kann. "Wir respektieren die Wahlen in den USA und erwarten dasselbe im Gegenzug", kommentierte er. "Wir halten uns an die Regeln unserer demokratischen Institutionen." 

Gemeint sind wohl die Institutionen der von J.D. Vance kritisierten EU, deren Demokratiedefizite von der Bundeszentrale für politische Bildung so beschrieben wird: "Ein Abgeordneter vertritt 857.000 deutsche und französische Wähler, in Luxemburg 83.000 und in Malta 67.000 Unionsbürgerinnen und -bürger." Ein Wähler aus Deutschland oder Frankreich habe damit nur ein Zehntel des Stimmgewichtes wie einer aus Luxemburg oder Malta. "Der demokratische Grundsatz ,one man, one vote', d. h. die Wahlrechtsgleichheit, gilt bei der Wahl zum Europäischen Parlament nicht." 

Das "D" steht für Demokratie

Ein Zustand, der sich leider nicht ändern lässt. Zu kompliziert die Abstimmungsprozesse. Zu unterschiedlich die Interessenlagen. Zu groß ist das EU-Parlament ohnehin schon, angesichts der Tatsache, dass es das einzige Parlament weltweit ist, das keine eigenen Gesetzesvorschläge beschließen darf.

Das "D" in "EU" steht für Demokratie und Merzes "Wir" ist identisch mit dem von Scholz, Baerbock, Eliasson und Habeck. "Meinungsfreiheit bleibt Meinungsfreiheit", sagt der kommende Kanzler. Aber was ungewählte Meldegänger, Meldestellen und Hate-Aid-Aktivisten als "Fake News, Hassrede und Straftaten" einstuften, unterliege "rechtlichen Beschränkungen und unabhängigen Gerichten."

Merz ist Jurist, er könnte auf Befragen zweifellos alle Passagen im Strafgesetzbuch nennen, in denen "Fake News" und "Hassrede" eine Rolle spielen. So viele sind das nicht, genaugenommen gibt es gar keine. Auch Wahlkampf-Kommentare aus dem Ausland sind nirgendwo verboten, aber wenn "europäische Werte nicht verhandelbar" (Wissing) sind, dann lässt sich das kurz zuverlässig ausblenden. 

Angst vor der Wahrheit

Niemand hat die Absicht, das, was Vance gesagt hat, auch nur oberflächlich auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Das Ergebnis könnte Teile der Bevölkerung beunruhigen. Würde bekannt, dass "unsere Demokratie" kein anderer Begriff für "Volksherrschaft" ist, sondern eine Umschreibung für eine gelenkte Demokratie, ließe sich nur noch schwerlich argumentieren, dass das Vertrauen in die Funktionsträger nicht schwindet, weil die eigentlich sehr, sehr gute Politik mit ihren sehr, sehr prächtigen Erfolgen den Menschen draußen im Lande noch nicht ausreichend gut und gründlich erklärt worden ist.

Vance hat die Hand ausgestreckt. Wer "Angst vor den Stimmen, Meinungen und dem Gewissen haben, die Ihr eigenes Volk leiten", der habe gar nichts mehr, was sich zu verteidigen lohne, predigte der US-Vizepräsident den tauben Ohren des Publikums auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Denjenigen würden dann aber auch die Vereinigten Staaten nicht verteiidgen. 

Reaktionen als Klartext

Die Reaktionen zeigen, wie genau der 40-Jährige den soft spot getroffen hat, an dem schon ein Streicheln den Betroffenen schlimme Schmerzen bereitet. Zwischen Empörung, Hysterie, Ratlosigkeit, Enttäuschung und moralisierendem Geschwätz über eine  "autoritär-revolutionär" Revolution samt "Feudalismus" und "Oligarchie" verpasste ganz Deutschland die Einladung aus Amerika. Niemand schien bereit, darüber nachzudenken, ob immer mehr Aufsicht, immer mehr Bevormundung und immer mehr Verfolgung abweichender Ansichten wirklich der Weg sind, den Europa gehen will. Selbst wenn der Preis dafür sein sollte, ihn allein gehen zu müssen.

Dass die neue Regierung in Washington keinen Partner verteidigen wird, der - aus amerikanischer Sicht - gemeinsame Grundwerte wie die Meinungsfreiheit nur marginal liberaler interpretiert als autoritäre Regimes, hat J.D. Vance deutlich gemacht. "Wenn Sie aus Angst vor Ihren Wählern davonlaufen, kann Amerika nichts für Sie tun", hat Trumps Vize gesagt und damit die Alternative verdeutlicht: Aus der Sicht Amerikas kann es bei den "etablierten Regeln" (Steinmeier) bleiben, nach denen die  Meinungsfreiheit ein "zentraler Wert unserer Demokratie" (Thierry Breton) ist, "nicht verhandelbar" aber je nach Nützlichkeit erlaubt oder nicht erlaubt.

Dann kümmert Euch aber künftig allein um Euren Kram.

Samstag, 15. Februar 2025

Zitate zur Zeit: Radikalisierte Freiheit

Radikalisierte Freiheit

Die Demokratie wird nicht überleben, wenn die Sorgen ihrer Bürger als unbegründet oder – schlimmer noch – als nicht berücksichtigenswert erachtet werden.

Wenn Sie Angst vor den Stimmen, Meinungen und dem Gewissen haben, die Ihr eigenes Volk leiten … Wenn Sie aus Angst vor Ihren Wählern davonlaufen, kann Amerika nichts für Sie tun, und Sie selbst können auch nichts für das amerikanische Volk tun.

US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Ansage aus Amerika: Schock und Schmerzen

J D Vance versetzt Europa eine schocktherapie
Düsteres Bild von Amerika: EU-Europa steht nach den Ansagen von J.D. Vance unter Schock.

Friedrich Merz, für den Luisa Neubauer am Vorabend seiner Aufnahme in die kleine Gemeinschaft der Weltelite auf der "Berlinale" unverfroren Werbung gemacht hatte ("Donald & Elon, Alice & Friedrich"), war vorab eingeweiht. Da komme etwas Großes, raunte der künftige Kanzler im "Klartext" beim ZDF, stolz darauf, seine Insiderkenntnisse andeuten zu dürfen. Die Stirn runzelte sich wissend. Die Stimme sank bedeutungshubernd. Merz war sichtlich stolz.

Kein Treffen mit dem Wahlverlierer

Dass US-Vizepräsident JD Vance den noch amtierenden Bundeskanzler am Rande der Sicherheitskonferenz in München nicht treffen werde, war da schon bekannt. Scholz sei nicht mehr lange Kanzler, hatte der Amerikaner über das "Wall Street Journal" mitteilen lassen. Zu viel Aufwand, jetzt noch Zeit an den Wahlverlierer der nächsten Woche zu verschwenden. Dass Vance stattdessen Merz treffen würde, gleich danach auch noch die AfD-Spitzenkandidatin Weidel und anschließend mit einer kaum 20-minütigen Rede alles, was sich in Jahren behaglicher Genügsamkeit an Selbstgewissheit in der Führungsetage Europas zu einem feinkörnigen Grünkörper abgesintert hatte, ahnten alle.

Es war sogar so gewiss, dass Bundespräsident Walter Steinmeier die befürchteten Vorwürfe aus Washington schon vorab konterte: Nicht mit dem brandmarkenden Begriff "Hassprediger" diesmal. Aber unumwunden und unverhohlen stellte der frühere SPD-Politiker die Vereinigten Staaten in einer Reihe mit Undemokraten, Diktatoren und Autokraten.

"Die neue amerikanische Administration hat ein anderes Weltbild als wir. Eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen", sagte der Mann, der einst einer Bundesregierung als Außenminister gedient hatte, deren Kanzlerin nach allen etablierten Regeln einer gewachsenen Partnerschaft des Vertrauens von US-Geheimdiensten abgehört worden war.

Ein erschrockener Steinmeier

Steinmeiers Erschrecken passt über die neue Lage, die JD Vance in seiner kurzen Rede skizzierte, passt zur allgemeinen Erschütterung. Dass ein Amerikaner nach Deutschland kommt und über rückgängig gemachte Wahlen, von der Justiz verfolgte Online-Kommentatoren und eine bedrückende Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa klagt, kommt in EU-Europa an wie ein Ultimatum. Reiht euch ein oder marschiert in Zukunft allein. 

"Die Bedrohung, die mir in Bezug auf Europa die meisten Sorgen bereitet, ist nicht Russland. Es ist nicht China, es ist kein anderer externer Akteur", provozierte Vance die wie stets zur gegenseitigen Vergewisserung zusammengeströmten Verwalter des status quo. Was ihm Sorgen bereite, sei vielmehr "die Bedrohung von innen, der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, der Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt."

Welche Werte bitte?

Die Münder offen, die Gesichter leer. Niemals bisher hat ein US-Vizepräsident den Gefolgsleuten in Europa auf eine so unverblümte Art und auf offener Bühne die Leviten gelesen. Die demokratischen Parteien warfen anschließend in die Schlacht, was sie an Größen aufzubieten haben. Boris Pistorius, der große Unbekannte der deutschen Politik, der demnächst an die Spitze der SPD rücken wird, bezeichnete Vance'  Warnungen als "nicht akzeptabel". 

Mit Rücksicht auf seine künftige Abhängigkeit vom Wohlwollen Washingtons, aber auch auf die Anti-Amerikaner unter den Wählern drückte der künftige Kanzler es diplomatischer aus. Es sei "fast schon" ein "übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen", sagte Friedrich Merz, in Anbetracht bevorstehender Umstände verbal tief gebückt.

Olaf Scholz, der eine Woche vor dem Gang in den Ruhestand keine Rücksicht mehr nehmen muss, hat auch kein Verständnis dafür, dass J. D. Vance nach Jahren, in denen sich Washington damit zufriedengab, dass die Nato-Partner ihre Rüstungsversprechen mit dem Taschenrechner zumindest fast erfüllten, plötzlich Klartext redet. Scholz nennt Vance weder Hofnarr noch Feigenblatt, er droht ihm auch nicht mit dem Entzug "irgendeiner Nachsicht" oder knallharter Abschiebung. "Was hier gesagt wurde, das irritiert und das darf auch nicht einfach wegkommentiert und kleingeredet werden", stellte der Sozialdemokrat klar.

Ansage aus Amerika

Sicher ist: Ginge es nach der deutschen Sozialdemokratie, wäre das Tischtusch mit Amerika zerschnitten. War der Affront Trumps, ohne EU-Hilfe und gegen die mit Joe Biden getroffene Verabredung Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin aufzunehmen, im Kreml-Flügel der deutschen Linken noch mit nur mühsam unterdrückter Erleichterung aufgenommen worden, fasst der europäische Nato-Flügel die Ansage aus Amerika als Kriegserklärung auf. 

Unterstützt von den nicht weniger empörten Leitmedien, die sich wie von Zauberhand darauf geeinigt haben, dass der "Trump-Vize" gegen Europa "geätzt" (T-Online, Spiegel) habe, darf der Bundeskanzler seine krude Geschichtsversion verbreiten. Die Bundesrepublik sei eine Demokratie, die "sich erschaffen habe aus der Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und zum Faschismus", klitterte Scholz an den historischen Tatsachen vorbei. Dieses - erfundene - Erbe erfordere es, anderen "Regeln" (Scholz) für die Meinungsfreiheit zu befolgen. 

Radikalisierte Freiheit

Die amerikanische Interpretation, der auch Vance mit seiner Forderung das Wort redete, man müsse "mehr tun, als über demokratische Werte zu reden, wir müssen sie leben", hatte die Bundeszentrale für politische Bildung schon vor geraumer Zeit als gefährlich "radikalisierte Freiheit" enttarnt. "Es läuft kalt den Rücken herunter" beim teilstaatlichen Portal T-Online. "Wehklagen" hört die SZ, "Unterwerfung" wittert n-tv und die "Zeit" sieht Europa "vor den Kopf gestoßen" und die Amerikaner die keineswegs brüchigen und bis ins Absurde durchbürokratisierten  europäischen Demokratien angreifen.

Haltet den Dieb! Das größte Land auf dem Kontinent, der zum letzten Vierteljahrhundert der technologischen Entwicklung der Menschheit den Digital Service Act, den KI Act, den Chips Act und die Neufassung der Einwegkunststoffrichtlinie mit der Erfindung der Schraubdeckelverordnung (EU-Richtlinie 2019/904 "über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt/Text von Bedeutung für den EWR - "Tethered Caps") beigetragen hat, bibbert davor, verlassen zu werden.

Alles an Europa ist amerikanisch

Alles an Europa ist amerikanisch, nur die Idee, es sei nicht so, haben die EU-Europäer sich selbst ausgedacht. Ihr Scheitern beim dreisten Versuch, den Amerikanern eine Präsidentin nach ihrem Schnittmusterbogen aufzuschwatzen, hat einen Rückstoß, mit dem offenbar weder in Berlin noch in Brüssel jemand gerechnet hat: Die Trump-Administration zahlt in gleicher Münze zurück, allerdings in harter Währung. Der "neue Sheriff in der Stadt" (Vance) bittet nicht um Mithilfe, er fragt nicht wie George W. Bush, ob das alte Europa wohl gerade Lust und Laune habe, ein bisschen "Mutter, Vater, Kind" zu spielen.

Vance hat nicht einmal gedroht. Die Europäer dürfen frei wählen, ob sie ihre beschnittene Spielart von Meinungsfreiheit und ihre riesiges, aber ohnmächtiges und undemokratisch zusammengestelltes Parlament weiter für die unverschnittene, reine und klare Essenz von Demokratie im Wortsinn ausgeben wollen. Auch wenn mancher in Europa es mittlerweile wünschen mag: Die USA werden keine Bodentruppen schicken, um Europa noch einmal zu befreien. Aber die Zeiten, in denen ein großer Bruder gegen die Gewährung gewisser Sonderrechte bereit war, den Blagen allerlei durchgehen zu lassen, sind vorbei. 

Sie können ihre Zimmer unaufgeräumt lassen. Sie können vergessen, dass niemand nur essen kann, sondern irgendwer auch einkaufen muss. Sie können sich streiten und zoffen und vor lauter leidenschaftlicher gegenseitiger Blockierung kaum in der Lage sein, ihre Grenzen vor Unbewaffneten zu schützen

Es wird künftig kein Erwachsener mehr kommen, um für Ordnung zu sorgen.